Kantaki 04 - Feuervögel (Graken-Trilogie 1)
betriebenen Lampen. Er blickte an der Wand empor, zu den in Nischen ruhenden sarkophagartigen Behältern. Einige von ihnen hatten transparente Seitenflächen, durch die man die mumifizierten Toten sehen konnte. Es handelte sich ausnahmslos um Menschen, wie Tako feststellte.
Ein sonderbares Lächeln lag auf Dominiks Lippen, und er hob die violetten Hände, als wollte er die Toten umarmen. »Es ist lange, lange her«, sagte er und ging langsam an der Wand entlang.
»Was ist dies für ein Ort?«, fragte Tako. »Wer sind die Toten?«
»Ich verstoße gegen die Regeln«, erwiderte Katyma. »Selbst Schülern ist das Betreten der Zömeterien verboten, und Sie sind nicht einmal ein Mitglied des Ordens, Lanze Karides.«
»Unter den gegebenen Umständen haben all jene Regeln ihre Bedeutung verloren, Ehrenwerte. Es geht ums Überleben. Der Rest spielt kaum mehr eine Rolle.«
»Glauben Sie? Ist das Überleben so wichtig, dass man ihm alles opfern darf?«
Tako hielt die Frage für rhetorisch und wartete.
»Sie sehen hier die Anfänge, Lanze Karides«, sagte Katyma und ging mit langsamen Schritten an der Wand entlang. Tako folgte ihr und ließ den Blick über die Mumien in den Särgen schweifen. »Die ältesten Toten ruhen seit mehr als achttausend Jahren hier, seit der Zeit der ersten Großen Lücke.«
»Dominik sprach von ›Vorfahren‹«, sagte Tako. »Aber diese Leute können keine Tal-Telassi gewesen sein, oder?« Er zeigte nach oben. »Das dort ist der mumifizierte Leichnam eines Mannes, und Ihr Orden besteht ausschließlich aus Frauen.«
Das Licht nuklearer Lampen begleitete Dominik, als er durch die Galerie ging und gelegentlich die Hand hob, um einen der Särge zu berühren. Die Nanosensoren in der Synthohaut vermittelten Tako verwirrende Eindrücke: Das schwarze Etwas in der Finsternis auf der rechten Seite schien auf Dominik zu reagieren; die Schatten verdichteten sich so, als wären sie mit den Bewegungen des jungen Mannes verbunden.
»Was ich Ihnen jetzt sage, blieb bisher allein auf unseren Orden beschränkt, Lanze Karides«, sagte Katyma mit feierlichem Ernst. »Dies sind tatsächlich unsere Vorfahren, auch wenn sich die Männer und Frauen damals noch nicht Tal-Telassi nannten.« Sie deutete auf einen Sarkophag, in dem die sterblichen Reste einer Frau ruhten. Der Leichnam war erstaunlich gut erhalten, besser als die anderen. Das Gesicht der Mumie hatte etwas Aristokratisches, und Tako fragte sich, ob er eine ferne Verwandte Katymas sah.
»Diese Frau trug den Namen Diamant und war Pilotin der Kantaki.« Katymas Finger strichen über die zu Fünfer-Gruppen angeordneten Symbole unter der Scheibe des Sarkophags. »Neben ihr liegt Esmeralda. Sie wurden Jahrtausende alt, ohne sich zu klonen, denn sie verbrachten einen großen Teil ihrer Zeit außerhalb des Zeitstroms.« Die Tal-Telassi vollführte eine Geste, die der gesamten Galerie galt. »Dies ist eins von siebzehn Zömeterien auf Millennia, und in ihnen ruhen ausschließlich Kantaki-Piloten. Vor gut achttausend Jahren flohen sie vor einer Katastrophe und versteckten sich auf Millennia, bevor hier eine Eiszeit begann, die den größten Teil des Planeten mit einem kalten weißen Panzer umgab.«
»Piloten der Kantaki …«, murmelte Tako und blickte an der Wand entlang. »Wie viele kamen hierher? Vor welcher Katastrophe flohen sie? Und warum waren es ausschließlich Menschen?«
»Es tut mir Leid, aber auch diesmal sehe ich mich außerstande, alle Ihre Fragen zu beantworten, Lanze Karides«, sagte Katyma. Sie setzte sich wieder in Bewegung und folgte Dominik, der inzwischen einige Dutzend Meter entfernt war. Tako blieb an ihrer Seite. »Wir wissen nicht, vor welcher Katastrophe die Kantaki-Piloten damals Zuflucht auf Millennia suchten, und uns ist auch nicht bekannt, warum es ausnahmslos Menschen waren, obgleich auch die Angehörigen anderer Völker als Piloten in die Dienste der Kantaki traten. Aber wir wissen, wie viele kamen: insgesamt dreitausendzweihundertzwölf, in insgesamt sechs Flüchtlingswellen. Sie alle blieben auf Millennia und starben, bevor es möglich wurde, den Bewusstseinsinhalt mitsamt aller Erinnerungen auf bionische Klone zu übertragen. Die ersten von ihnen brachten damals das Zentrum des Tal-Telas mit, und eine ihrer Nachkommen gründete dreitausend Jahre später, fünf Jahrtausende vor unserer Zeit, den Orden der Tal-Telassi.«
»Ahelia«, sagte Tako.
Katyma nickte. »Was auch immer damals geschah, was auch immer die Kantaki-Piloten
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