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Kantaki 04 - Feuervögel (Graken-Trilogie 1)

Kantaki 04 - Feuervögel (Graken-Trilogie 1)

Titel: Kantaki 04 - Feuervögel (Graken-Trilogie 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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aber nicht so viel, wie er sich wünscht, und nicht so schnell. Myra lehnt an der Mauer neben der Treppe, das Gesicht leichenhaft blass. Selbst ihre Augen wirken weniger dunkel als vorher.
    »Wenn Sie sie hören, werden Sie Teil des Traums«, bringt sie hervor. »Die Menschen, die hier gefangen sind. Die Überlebenden von Kabäa. Wenn Sie ihre Stimmen hören … Es bedeutet, dass der Graken den Kern Ihrer Seele erreicht. Dann beginnt die Kontamination.«
    Tako bückt sich, hebt die Tal-Telassi hoch und setzt den Weg über die steile Treppe fort. Er wagt es nicht, die Stufen zu zählen, aus Furcht, schon nach wenigen Minuten den Mut zu verlieren.
    Aus Furcht …
    Gefühle erwachen in ihm, und sie machen alles schlimmer, denn jetzt trägt er nicht nur Myra, sondern auch noch eine Bürde aus Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung. Deutlich sieht er, wie die Greisin immer schwächer wird, und er weiß, dass er sie nicht rechtzeitig zum schwarzen Titan bringen kann, der über der Terrassenstadt thront. Nicht vor ihrem … Tod.
    Er bleibt kurz stehen, um wieder zu Atem zu kommen, blickt nach oben und sieht das Ziel noch immer weit, weit entfernt. Unerreichbar weit. Bisher hat er nur das Flüstern des Winds gehört, aber jetzt vernimmt er auch andere Geräusche, ein seltsames Wispern. Er dreht den Kopf und sieht die Menschen, die Bewohner der Terrassenstadt. Sie folgen ihm, sprechen noch immer miteinander, und er beginnt ihre Stimmen zu hören .
    Rasch hebt er Myra hoch und läuft mit ihr die Stufen empor, obgleich die Luft in seinen Lungen zu brennen scheint und die Arm- und Beinmuskeln in Flammen stehen. Und oben am Himmel lodert die Sonne, aus der der Feuervogel gekommen ist, heiß und unbarmherzig.
    »Wir … schaffen es nicht«, krächzt Myra. »Bringen Sie mich … zu einer schattigen Stelle. Ich … ich muss es … von hier versuchen.«
     
     
    Das Pulsieren der Leibesstränge wurde stärker, während der Biotron die Aktivitäten des Kampfanzugs auf das Bereitschaftsniveau senkte, als die Stimulationen keine Wirkung erzielten. Ein dicker Strang wölbte sich nach oben, und darunter wurde eine Öffnung sichtbar. Der Boden neigte sich, und von Finsternis umhüllt glitten Myra und Tako in die Tiefe, ohne etwas davon zu merken. Nichts hielt sie fest; die Verankerung mit den Levitator- und Krümmerfeldern hatte sich nach der Implosion der Mikrokollapsare gelöst.
     
     
    Beim nächsten Treppenabsatz wendet sich Tako nach links und trägt Myra zu einem mehrere Meter hohen Objekt, das aussieht wie eine Mischung aus Baum und Skulptur. Ihn interessiert nicht, worum es sich handelt. Wichtig ist nur, dass breite horizontale Erweiterungen, wie Äste und Zweige, Schatten spenden. Dort lässt er die Tal-Telassi zu Boden sinken.
    Die Menschen sind ihm erneut gefolgt, wahren jetzt aber einen gewissen Abstand, als wüssten sie, dass der Tod diesen Ort besucht. Tako hört erneut ihr Flüstern, und am liebsten wäre er geflohen, weg von den Stimmen, die Unheil für ihn bedeuten.
    Myra sieht zu ihm auf, eine alte Frau, die siebenundzwanzig Leben geführt hat. Dies ist ihr letztes, das hat sie von Anfang an gewusst, und es geht hier zu Ende.
    »Sie müssen jetzt sehr stark sein, Keil Karides«, sagt die Greisin. Das Krächzen ist verschwunden; ihre Stimme klingt fast so wie an Bord der Talamo .
    » Ich muss stark sein?«
    »Ich brauche meine ganze Kraft und muss mich aus Ihnen zurückziehen.« Sie seufzt, zum letzten Mal. »Ich werde versuchen, den fatalen Traum von hier aus ins Zentrum des Grakentraums zu transferieren.«
    Die Tal-Telassi, eine von drei Großmeisterinnen, schließt die Augen, holt tief Luft …
    Von einem Augenblick zum anderen kehrt alles zurück: der Argwohn, von Myra in eine ferne Ecke seines Selbst gedrängt; die Sorge, dass die Greisin verrückt sein könnte; und der Ozean aus Emotionen, gestaut hinter einem plötzlich nicht mehr existierenden mentalen Damm. Gedanken rasen ungeordnet, überschlagen sich, gehen ineinander über, während Myra am ganzen Leib erbebt, den Mund zu einem wortlosen Schrei öffnet und … stirbt.
    Wolken schieben sich vor die Sonne, und der Wind trägt Kühle heran. Tako blickt zum schwarzen Titan auf dem Berg empor und kann keine Veränderung bei ihm erkennen. Stumm und massiv ragt er auf, wie bestrebt, diese Welt unter seinem Gewicht zu zermalmen. Takos Gedanken schwimmen aufwogen der Emotionalität, als er auf die tote Tal-Telassi hinabsieht. Tränen rinnen ihm über die Wangen, aber es

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