Kantaki 05 - Feuerstürme (Graken-Trilogie 2)
mentales Vakuum, verursacht auch von den fehlenden Datenströmen und einer damit einhergehenden desorientierenden psychischen Stille. Dann kam es zu einer Art geistigen Implosion, und das halbe Universum schien in seinen Kopf zu stürzen. Zusammen mit dem Druck, der vermutlich von Mrarmrirs Präsenz ausging – der Graken hat einen Teil meiner Lebenskraft bekommen; ich bin mit ihm verbunden! –, wurde es unerträglich.
Tubond schrie.
Und als er schrie, als er Zorn, Frust, Enttäuschung und Angst herausbrüllte, verstand er.
Es fand eine Kampagne gegen ihn statt, und Teresio hatte sich zu einem ihrer Wortführer machen lassen. Die Tal-Telassi, einflussreiche Okomm-Offiziere, einfache Bürger, die nicht begriffen, worum es ging und was auf dem Spiel stand – sie alle hatten sich gegen ihn verschworen. Und je länger Leute wie Teresio Gelegenheit bekamen, ihre Lügen zu verbreiten, desto mehr würde sich die Stimmung gegen ihn wenden, bis kaum mehr jemand übrig blieb, der für ihn eintrat.
Bis kaum mehr jemand da war, der seine Befehle befolgte.
Der Schrei verhallte in der Stille im Innern des Molochs, wie von der Düsternis verschluckt, vom einen starrenden Auge des Graken. Er verstand noch etwas, und diese zweite Erkenntnis bedeutete Gefahr: Er war noch weniger, als Karon vermutete. Tubond fragte sich, was ihm bevorstand, wenn die Graken und ihre Vitäen zu dem Schluss gelangten, dass er keinen Nutzen für sie hatte.
Furcht erfasste ihn. Zum ersten Mal seit vielen, vielen Jahren hatte Maximilian Tubond Angst um sein Leben.
»Was erwarten Sie von mir?«, brachte er mit brüchiger Stimme hervor. »Wie soll ich Ihnen helfen?«
Andere Bilder erschienen in dem Projektionsfeld: Anweisungen erteilende Generäle und Admiräle, über Transverbindungen, die eigentlich abgeschirmt sein sollten; Szenen von Feuer und Vernichtung; berstende Zitadellen im interplanetaren All; Bastionen, deren Schutzschirme instabil wurden; Kronn-Flotten, die jeden Widerstand zerschmetterten, im All ebenso wie auf Planeten. Und dann etwas anderes, neue Bilder, die mehr berührten als nur die Augen, die alle Sinne ansprachen, und noch mehr. Maximilian Tubond, der sich einst als schlagendes Herz der AFW gesehen hatte, fühlte sich plötzlich als ebenso lebendiger Bestandteil eines viel größeren lebenden Geschöpfs.
Und dieses Überwesen, das ihn inkorporierte, litt so, wie es damals gelitten hatte, vor der Großen Flucht. Teile von ihm starben.
Tubond sah etwas, das er bisher nur aus geheimen Berichten kannte und das der Grund für neue Prioritäten in der fernen Forschungsstation auf Ennawah war. Und er sah und fühlte es aus der Perspektive der Graken: den Kampf beim Helleron-Knoten, ihre Niederlage.
Als die Superschiffe der Kronn und die kleineren Schiffe der Chtai und Geeta explodierten, hatte Tubond das Gefühl, dass ihm Fleischfetzen aus dem Körper gerissen wurden. Und als selbst der Moloch eines Graken in fremdem Feuer verglühte, schienen sich ihm Lanzen aus glühendem Ultrastahl in die Augen zu bohren, durchs Gehirn und bis zum Schädelknochen des Hinterkopfs. Er schrie erneut, aber diesmal brachte der Schrei nur Agonie zum Ausdruck. Er sah und spürte, wie er floh, zusammen mit den anderen Überlebenden, wie er sich in eine Transferschneise stürzte, um einen rettenden Sonnentunnel zu erreichen. Er entkam, zusammen mit den anderen Komponenten des Überwesens, aber ein Teil von ihm war gestorben. Körper und Geist trugen Zeichen dieses Todes, physische Narben und leere Stellen im gemeinsamen Denken und Empfinden.
Die letzten Bilder des Projektionsfelds zeigten Raumschiffe, die Tubond nie zuvor gesehen hatte: Ansammlungen von Scheiben, Rechtecken und Quadraten, die in unterschiedlichen Winkeln ineinander verkantet waren, ihre Außenflächen nicht glatt, sondern borkig und zernarbt. Er hörte die »Stimmen« jener Schiffe, seltsame Töne, einige schrill, andere tief und dumpf, und das kollektive Selbst, dem er noch immer angehörte, gewann den Eindruck von Rhythmus und Kadenz.
Dann verblassten die Bilder, und damit ging die multisensorische Stimulierung zu Ende. Tubond spürte ein Brennen in seinem Innern und begriff, dass sich ihm die Nanowurzeln des Bionenanzugs tiefer als sonst in den Leib gebohrt hatten. Einer der beiden Enzelore war halb atrophiert.
Tubond stellte fest, dass er am ganzen Leib zitterte. Die Präsenz des Überwesens – der Graken-Kollektive – wich von ihm, ließ ihn allein und seltsam leer zurück. Der
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