Kantaki 05 - Feuerstürme (Graken-Trilogie 2)
Katalyter.
»Er befindet sich hier, in dieser Station.« Tubond deutete zu den Gebäuden. Einige Personen kamen aus dem größten von ihnen, alle in Uniformen der AFW-Streitkräfte gekleidet. Einen der Männer erkannte Tubond: Keil Thorman, Leiter der Brainstorm-Station von Ennawah.
»Hegemon Tubond …«, begann der sehr ernst und bestürzt wirkende Thorman, als die Entfernung nur noch einige Meter betrug.
»Es ist alles in Ordnung«, sagte Tubond und log: »Diese Vitäen sind unsere Verbündeten. Es gelang mir, sie auf unsere Seite zu ziehen. Wir sind wegen Rupert gekommen. Bringen Sie mich unverzüglich zu ihm.«
Die Bestürzung in Thormans Miene wich Verlegenheit. »Es gibt da ein Problem …«
Der Chtai an Tubonds Seite blieb abrupt stehen, und die schwarzen Linien in seinem kristallenen Leib pulsierten stärker als jemals zuvor. Er neigte den Kopf nach hinten und schien zum grauen Himmel hochzusehen, aus dem einzelne Schneeflocken fielen. Dann wandte er sich Tubond zu.
»Mrarmrir ruft mich«, knirschte er. »Die Fremden sind da.«
Interludium 15
Datum 5. April 1147 ÄdeF
Der hundertachtzig Jahre alte Soren Horendahl, einst Chefwissenschaftler der AFW auf Millennia und jetzt ein Gefangener, fühlte die schwere Last des Alters, als er in der Schlange vor dem weißen Turm wartete. Hunderte von Personen standen vor ihm – Männer und Frauen, ganze Familien – und hinter ihm noch einmal so viele. Nacheinander verschwanden sie im Lift, in den Transportkapseln, die sie nach oben brachten, über die Eisschilde und zu einem Frachter, der in aller Eile zu einem Gefangenentransporter umgerüstet worden war.
»Man schiebt uns ab«, sagte ein Mann in Horendahls Nähe. »Nachdem wir so viel für Millennia getan haben! Seit mehr als zwanzig Jahren helfen wir beim Wiederaufbau, und jetzt dies!«
Die in regelmäßigen Abständen postierten Wächter wirkten fast ebenso kühl und unnahbar wie die Tal-Telassi. Sie trugen Uniformen der AFW, aber mit neuen Insignien: Dies waren Angehörige der Ehernen Garde.
Horendahl blickte sich um und verstand noch immer nicht, was er sah: eine Welt, die sich innerhalb weniger Tage völlig verändert hatte. Er beobachtete neue Arbeitsgruppen, die damit beschäftigt waren, die Wurzeln eines Molochs zu zerlegen und abzutransportieren. Ihnen ging es nicht um Untersuchungen und Analysen, sondern darum, die Spuren der Grakeninvasion vor dreiundzwanzig Jahren so schnell wie möglich zu beseitigen. Millennia beendete ein Kapitel seiner langen, langen Geschichte und begann ein neues.
Aber Horendahl kannte inzwischen die Kapitel einer besonders düsteren Ära. Er hatte Antworten auf Fragen gefunden, die man seit vielen Jahrhunderten stellte. Aber er konnte mit den Informationen nichts anfangen! Eine Zeit lang hatte er mit dem Gedanken gespielt, sich den Tal-Telassi anzuvertrauen und von dem geheimen Ort in den Archiven zu berichten, aber damit hätte er vermutlich nicht nur nichts erreicht, sondern auch noch sein eigenes Leben aufs Spiel gesetzt: Alles deutete darauf hin, dass der Orden die dunkle Epoche seiner eigenen Geschichte geheim halten wollte.
Dieser Gedanke führte zu einem anderen: Was war mit dem Chronologen Tallbard geschehen? Die Tal-Telassi müssen ihn durch mich gefunden haben , überlegte Horendahl und ging weiter, als sich die Schlange vor ihm in Bewegung setzte. Hatten sie sein Selbst gelöscht? Existierte Horatio Horas Tallbard inzwischen nicht mehr?
Weiter vorn, nicht mehr als zehn Meter entfernt, bemerkte Horendahl plötzlich eine vertraute Person: ein Mann, schlank und hoch gewachsen, mit schütterem grauem Haar. Sofort verließ er seinen Platz in der Schlange und eilte nach vorn.
Der Militärgouverneur Joras Ebanar trug noch seine alte Uniform, aber die Rangabzeichen waren abgerissen. Sein Gesicht war hohlwangig, der Blick leer.
»Ich bin mehrmals in Ihrem Büro gewesen, aber Sie hatten nie Zeit für mich«, stieß Horendahl hervor und hielt Ebanar am Arm fest, als die Leute vor ihnen einige weitere Schritte in Richtung des weißen Turms machten. »Ich habe Dinge entdeckt, die …«
Eine Hand schloss sich fest um Horendahls Schulter und zog ihn fort. Er drehte den Kopf und blickte ins ernste Gesicht eines Gardisten. »Kehren Sie zu Ihrem Platz zurück.«
Bevor er sich abwenden musste, hörte er noch Ebanars müde Antwort. »Was auch immer Sie entdeckt haben … Ich bin nicht mehr der Gouverneur dieser Welt.«
16. Seelenschatten
5. April 1147
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