Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)
Gegend.
Die unglückliche Lage der Palästinenser, die vor allem im Gaza-Streifen wie in einem »Freiluftgefängnis mit Meeresblick« hausen, ist außerdem ein Argument für islamistische Terroristen, mit dem sie ihre Anschläge auf die westliche, jüdisch-christliche Welt zu rechtfertigen versuchen. Auch deshalb geht der Nahostkonflikt uns alle an, und auch deshalb ist die ganze Welt gefordert, gerade in dieser explosiven Gegend den Frieden zu fördern. Die Region ist ein »Pulverfass«, sämtliche Länder dort sind bis an die Zähne bewaffnet und mit großen Mächten verbandelt. Der Iran strebt darüber hinaus noch danach, eine Atommacht zu werden. Mit anderen Worten: Sich beim Stichwort »Nahost-Konflikt« entnervt abzuwenden oder gleichgültig zurückzulehnen, ist leider nicht möglich.
Junge Männer als Risikofaktor
Was macht Staaten oder Regionen überhaupt kriegsanfälliger oder, umgekehrt, friedlicher als andere? Eine Reihe Faktoren lassen sich aufzählen: Je gerechter es in einer Region zugeht, je weniger Armut und Hunger es gibt, desto geringer das kriegerische Potenzial. Zufriedene, satte Menschen sind weit weniger an Krieg interessiert als unzufriedene. Historische Erblasten (zum Beispiel künstliche Grenzziehungen) spielen eine große Rolle, wenn damit ethnische Konflikte einhergehen. Auch Erziehung und Kultur sind nicht zu unterschätzen. Wer in der Schule schon als Kind gesagt bekommt, gegen wen man am besten Krieg führen sollte, der glaubt das auch. Wem aber schon in jungen Jahren die Schrecken des Krieges vor Augen geführt und Frieden gepredigt wurde, der überlegt es sich als Erwachsener vielleicht doch zweimal, bevor er einen Waffengang riskiert.
Auch demografische Strukturen können eine Gesellschaft kriegsanfälliger, gewalttätiger machen als andere. Ein interessantes Phänomen dabei ist der »Youth Bulge«, wie ihn Soziologen nennen. Unter einem solchen »Youth Bulge« (Jugendüberschuss) leiden Gesellschaften, wenn sie aufgrund hoher Geburtenraten einen sehr hohen Anteil junger Menschen haben, die für sich keine Perspektive finden. Besonders problematisch ist ein hoher Anteil junger Männer. In Gesellschaften, in denen Familien lieber Jungs als Mädchen bekommen, weil Männer mehr »wert« sind, ist das häufig der Fall. (In China zum Beispiel ist das auch ein großes Problem. Wegen der strengen Ein-Kind-Politik treiben viele Frauen ab, wenn sie wissen, dass sie mit einem Mädchen schwanger sind.)
Es gibt dann sehr viele junge Männer, die keinen Job und keinen gesellschaftlichen Status finden – und auch keine Frau. Sei es, weil es nicht genug Frauen gibt, sei es, weil sie sich eine Heirat nicht leisten können und Beziehungen ohne Heirat wegen der herrschenden Sexualmoral nicht erlaubt sind. Diese zornigen, in vieler Hinsicht frustrierten, testosterongesteuerten jungen Männer sind anfällig für chauvinistische Parolen und Gewalt. Krieg kann eine »Ehre« herstellen, die man für sich andernfalls nicht findet. Der »Youth Bulge« ist nur einer von vielen Aspekten, der aber etwa mit Blick auf die Länder im Nahen Osten, die zugleich die Hauptherkunftsländer islamistischer Terroristen sind, ein nicht zu unterschätzender Faktor sein könnte.
Wie human sind humanitäre Interventionen?
Demokratien versuchen ihre Kriege meistens mit »humanitären« beziehungsweise »friedlichen« Gründen zu rechtfertigen. Mögliche Begründungen sind: Ein »unschuldiger« Staat wurde von einem anderen überfallen, in einem Staat werden schlimmste Gräueltaten verübt, oder von einem Staat geht eine Bedrohung für den Weltfrieden aus. Der Krieg soll meist also dem Frieden oder den Menschenrechten dienen, sonst wird er von den Wählern schwer akzeptiert. Die »humanitäre Intervention«, also ein Krieg im Dienste der Menschlichkeit, ist dabei ein ziemlich neues Phänomen. Bisher hat es solche Einsätze nur gegeben, wenn die Amerikaner bereit waren, voranzugehen oder zumindest mitzumachen. Bei solchen Einsätzen berufen sich diejenigen, die in einen ausländischen Konflikt eingreifen, aufs Völkerrecht der UN -Charta und legen auch Wert auf die (moralische) Unterstützung der Staatengemeinschaft.
Im afrikanischen Somalia beispielsweise tobte in den neunziger Jahren ein furchtbarer Bürgerkrieg. Es gab keine funktionierende Regierung, verschiedene Stämme brachten sich gegenseitig um, es herrschte eine große Hungersnot. Hunderttausende Menschen starben. Der UNO -Generalsekretär zeigte den
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