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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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Amerikanern Bilder von sterbenden Kindern und appellierte an das Weltgewissen und die »Weltpolizei« USA . Ob es tatsächlich nur humanitäre Motive waren, die die US -Regierung schließlich zu einem Einsatz bewogen, ist allerdings umstritten. Somalia hat Erdölquellen, und die Lage des Landes am Horn von Afrika macht es geopolitisch nicht ganz uninteressant. Trotzdem: Die Risiken des Einsatzes waren hoch; dort das Leben eigener Soldaten zu riskieren, war mit ein paar Ölquellen nicht zu begründen. Strategisch schien das afrikanische Land damals, direkt nach dem Ende des Ost-West-Konflikts, auch nicht sonderlich wichtig. Man kann schon sagen, dass zu jenem Zeitpunkt die Hoffnung groß war, solche Konflikte eindämmen und Menschen helfen zu können. Insofern verfolgte die Supermacht USA in Somalia wohl tatsächlich überwiegend idealistische Motive. Hinzu kam, dass der damalige US -Präsident George Bush (senior) innenpolitisch geschwächt war. Er hatte große Reden über die »neue Weltordnung« gehalten, denen aber wenige Taten gefolgt waren. Die UNO mit ihrem kleinen Blauhelm-Kontingent vor Ort wurde von den somalischen Kriegsherren vorgeführt, die Bilder der Hungernden gingen um die Welt – kurzum: Der Druck wuchs, dass die Supermacht dem nicht mehr länger tatenlos zusehen, sondern eingreifen sollte. Für Präsident Bush schien dies keine schlechte Gelegenheit, seine eigene politische Position daheim zu stärken.
    Meistens finden humanitäre Interventionen nicht nur aus völlig selbstlosen Motiven statt. Realistisch betrachtet kommen immer eine Reihe von Umständen und Beweggründen hinzu. Immerhin riskiert man das Leben der eigenen Soldaten. Gerade Demokratien müssen sich das gut überlegen. Ginge es nur um Menschlichkeit, müsste die halbe Welt ständig in der anderen Hälfte der Welt unterwegs sein, angesichts der vielen Krisenherde, Hungergebiete, Menschenrechtsverletzungen und Flüchtlingsströme. Es gibt offensichtlich Gründe dafür, dass in bestimmte Konflikte eingegriffen wird und in andere nicht. Dazu gehören: eine hohe Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit, strategische und ökonomische Gründe, die konkrete Risikoabwägung, historische Hintergründe (zum Beispiel aus Kolonialzeiten) und innenpolitische Beweggründe
    Die USA schickten damals dann Soldaten, Panzer und Hubschrauber für eine »humanitäre Intervention im Namen der Vereinten Nationen« nach Somalia. Die meisten Staaten waren Amerika dankbar, vor allem die Europäer, die selbst nicht bereit waren, irgendetwas zu riskieren, um Afrikanern in der somalischen Wüste das Leben zu retten. Leider ging diese humanitäre Intervention furchtbar schief. Die amerikanischen Truppen gerieten zwischen alle Fronten, sie wurden aus dem Hinterhalt bekämpft und terrorisiert, und schließlich gingen Fernsehbilder um die Welt, die zeigten, wie ein toter, nackter amerikanischer Soldat von johlenden Somalis durch staubige Straßen geschleift wurde. Da fragten sich selbst die Amerikaner: »Was tun wir da eigentlich? Sollen die doch ihren Mist alleine lösen!« Und so zogen die US -Truppen wieder ab. Somalia geht es bis heute schlecht. Den Amerikanern kann man das kaum vorwerfen. Sie hatten es wenigstens versucht.
    Das Risiko zu scheitern ist groß
    Aber in Bürgerkriege einzugreifen, ist immer verdammt schwierig und gefährlich – und geht häufig schief. Die eingreifenden Truppen werden nicht als neutrale Helfer wahrgenommen, sondern selbst als Kriegspartei. Es gibt in solchen Kriegen keine klaren Frontverläufe, sondern meist Guerillataktiken mit Häuser-, Dschungel- oder Wüstenkämpfen, die für ausländische Armeen schwer zu führen sind. Die geografischen und kulturellen Eigenheiten des Landes werden unterschätzt, die ausländischen Soldaten sind schnell überfordert, und ihre Motivation, sich in einem fremden Konflikt ohne eigene emotionale Kriegsmotive grenzenlos aufzuopfern, ist verständlicherweise schneller erschöpft. Das Gleiche gilt für die Bevölkerung zu Hause, die das aus der Ferne beobachtet.
    Dass die Taliban in Afghanistan in den 1990er Jahren ein furchtbares Terrorregime errichtet hatten, war bekannt. Auch wie sehr Frauen in Afghanistan unter ihnen zu leiden hatten. Besonders groß war im Westen interessanterweise die Empörung, als die Taliban Schätze des Weltkulturerbes vernichteten. Doch das allein hatte nicht genügt, um gegen sie in einen Krieg zu ziehen. Erst nach den Anschlägen des elften September 2001, als Terrorchef

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