Kap der Finsternis: Roman (German Edition)
gewesen: Burn sollte die Tasche auf der Treppe des Mandela Gateway und gegenüber der Fußgängerbrücke Richtung Einkaufszentrum abstellen. Wenn das Geld dort lag, würde Barnard sein Mobiltelefon anrufen und ihm mitteilen, wo im Waterfront-Viertel er seinen Sohn finden konnte. Burns Bauchgefühl sagte, dass Matt nicht mal in der Nähe der Waterfront war. Barnard würde ihn als Rückversicherung behalten.
Falls er noch lebte.
Burn hatte versucht auszuhandeln, dass er sich nicht von dem Geld trennen würde, bis er seinen Sohn sah. Barnards Konter war simpel: Wenn Burn nicht endlich die Klappe hielt und seine Anweisungen befolgte, würde er Matt einen Finger abschneiden. Burn hielt die Klappe.
Burn umrundete eine Gruppe schwarzer Jungs mit nackten Oberkörpern, die Gummistiefel trugen und einen lauten, energischen Tanz aufführten. Sie bliesen in Pfeifen und klatschten in die Hände, knallten auf das Kopfsteinpflaster wie Schüsse. Er näherte sich dem Mandela Gateway. In dieser Gegend wimmelte es von Touristen, die für die halbstündige Überfahrt mit dem Schiff nach Robben Island anstanden, um zu sehen, wo Nelson Mandela siebenundzwanzig Jahre im Gefängnis gesessen hatte. Kurz nach ihrer Ankunft in Kapstadt hatten Burn und Matt diesen Ausflug gemacht. Susan hatte sich entschuldigt; sie litt an Schwangerschaftsübelkeit, und auf gar keinen Fall würde sie ihren Fuß auf ein Schiff oder Boot setzen. Als Burn sich Mandelas beengte Zelle angeschaut hatte, hatte er sich ziemlich unbehaglich gefühlt. Eine zu plastische Mahnung daran, wo er selbst leicht enden könnte.
Burn schaute auf die Uhr. Zwei Uhr neunundzwanzig. Er zwang sich, nicht zur ersten Etage – Kuriositätenläden und afrikanisch dekorierte Restaurants – aufzuschauen, wo der Nachtwächter sich postieren sollte.
Burn marschierte auf die Treppe zu. Er wusste, dass Barnard keine Zeit verlieren würde, die Tasche abzuholen. Ende der neunziger Jahre war das Waterfront-Viertel immer wieder Ziel von Bombenattentaten gewesen, und das Sicherheitspersonal hier war extrem wachsam. Eine unbeaufsichtigte Tasche würde sofort entdeckt.
Zwei Uhr dreißig. Burn stand auf der Treppe, sondierte die nähere Umgebung, dann lehnte er den Sportbeutel gegen einen Pfeiler. Er ging Richtung Fußgängerbrücke, drehte sich aber nicht mehr um.
Barnard saß unter einem Sonnenschirm vor einem deutschen Restaurant. Keine Sekunde lang wendete er den Blick vom Mandela Gateway ab. Ein unangetasteter Humpen Bier stand vor ihm. Er glaubte, damit wie ein Tourist auszusehen. Er trug Mütze und Sonnenbrille und schwitzte in ein T-Shirt. Barnard nahm die Sonnenbrille ab und wischte sich den Schweiß aus den Augen. Er sah auf die Uhr, die sich in das Fett an seinem massigen Handgelenk grub. Fast halb drei.
Dann sah er ihn. Den Amerikaner. Mit einer Tasche in der Hand ging er genau auf die Treppe zu. Barnard würde den Amerikaner die Tasche abstellen und fortgehen lassen. Dann würde er das Geld holen und nach Paradise Park fahren. Und da würde er der Mischlingsschlampe und dem amerikanischen Balg die Mossberg an den Kopf halten. Ihnen für immer das Maul stopfen.
Er bedauerte, dass er nicht auch noch den Amerikaner umbringen konnte. Er hatte seinem Freund Dexter Torrance versprochen, dass Burn würde zahlen müssen. Tja, dessen Sohn musste als Bezahlung genügen.
Der fette Mann rührte sich nicht, bis er den Amerikaner die Tasche auf der Treppe abstellen und in Richtung Fußgängerbrücke verschwinden sah. Barnard stand auf, zog die Hose hoch, rückte das Halfter unter seinem T-Shirt zurecht und ging los, das Geld holen.
Benny Mongrel wartete am Geländer der ersten Etage vor einem afrikanischen Restaurant, die Mütze tief in die Stirn gezogen. Er beobachtete die Treppe. Er sah Burn die Tasche abstellen und fortgehen. Benny Mongrel ließ die Tasche nicht mehr aus den Augen. Er registrierte, dass sich ihm jemand von rechts näherte. Instinktiv tastete er nach dem Messer, dann sah er, dass es ein junges weißes Mädchen mit blonden Haaren und Rucksack war.
»Entschuldigung, können Sie mir sagen, wo ich die Taxis finde?« Für Benny Mongrels Ohren war der deutsche Akzent nahezu unverständlich.
Er drehte sich zu ihr, gönnte ihr die schreckliche Verwüstung auf seiner linken Gesichtshälfte. »Verpiss dich.«
Sie sah sein Gesicht, wurde kreidebleich und tat wie geheißen.
Benny Mongrel schaute zurück zur Tasche. Sie war weg. Er suchte die Menge ab und sah gerade noch die fette
Weitere Kostenlose Bücher