Kapitaen Bykow
im Ring eine Bestätigung deiner Hypothese zu finden?«
»Was wissen wir schon von der Wahrscheinlichkeit?«, wiederholte Jurkowski.
»Ich weiß eins«, sagte Bykow gekränkt, »dass du keinerlei Chancen hast und dass dieses ganze Vorhaben Wahnsinn ist.«
Wieder schwiegen sie, und Jurkowski widmete sich dem Bericht. Sein Gesicht sah sehr alt und sehr traurig aus. Jura empfand unerträgliches Mitleid mit ihm, doch er wusste nicht, wie er helfen sollte.
Er blickte Shilin an. Shilin dachte angestrengt nach. Jura blickte auf Bykow. Bykow tat, als läse er eine Zeitschrift. Es war deutlich zu sehen, dass auch ihm Jurkowski sehr leidtat.
Shilin sagte plötzlich: »Alexej Petrowitsch, aber warum glauben Sie, dass es bei geringen Chancen nichts zu hoffen gibt?«
Bykow ließ die Zeitschrift sinken. »Und du denkst anders?«
»Die Welt ist groß«, sagte Shilin. »Mir haben die Worte von Wladimir Sergejewitsch sehr gefallen: ›Was wissen wir schon von der Wahrscheinlichkeit?‹«
»Ja, und was wissen wir denn darüber?«, fragte Bykow. Ohne den Blick von dem Bericht zu heben, merkte Jurkowski auf.
»Mir ist da ein Mann eingefallen«, sagte Shilin. »Er hatte ein sehr merkwürdiges Schicksal ...« Shilin hielt unentschlossen inne. »Störe ich Sie vielleicht, Wladimir Sergejewitsch?«
»Erzähl«, verlangte Jurkowski und klappte entschlossen den Bericht zu.
»Das wird einige Zeit dauern«, warnte Shilin.
»Um so besser«, sagte Jurkowski. »Erzähl!«
Und Shilin begann zu erzählen.
Die Geschichte von der gigantischen Fluktuation
Ich war damals noch ein Junge und verstand vieles nicht, vieles habe ich auch vergessen, vielleicht das Interessanteste. Es war Nacht, und die ganze Zeit über ist es mir nicht gelungen, das Gesicht jenes Mannes zu sehen. Seine Stimme aber war ganz gewöhnlich, ein bisschen traurig und heiser, und mitunter räusperte er sich wie vor Verlegenheit. Kurzum, wenn ich ihn noch einmal irgendwo auf der Straße oder etwa bei einem gemeinsamen Freund sehen sollte, würde ich ihn wohl kaum wiedererkennen.
Wir trafen uns am Strand. Ich war gerade aus dem Wasser gekommen und saß auf einem Stein. Dann hörte ich, wie hinter mir Geröll rieselte – da kam er den Uferhang herab –, der Geruch von Tabakrauch erreichte mich, und der Mann blieb neben mir stehen. Wie gesagt, es war Nacht. Der Himmel war wolkenverhangen, und auf dem Meer kam Sturm auf. Den Strand entlang wehte ein kräftiger warmer Wind. Der Fremde rauchte. Der Wind riss aus seiner Zigarette lange orangefarbene Funken und trug sie davon, bis sie über dem leeren Strand verschwanden. Das sah sehr schön aus, und ich erinnere mich gut daran. Ich war gerade erst sechzehn, und es fiel mir überhaupt nicht ein, dass er ein Gespräch mit mir anfangen könnte. Er tat es aber, und er begann sehr seltsam.
»Die Welt ist voller erstaunlicher Dinge«, sagte er.
Ich glaubte, dass er nur laut dachte, und antwortete nicht. Ich wandte mich nach ihm um, sah aber nichts – es war zu dunkel. Er jedoch wiederholte: »Die Welt ist voller erstaunlicher Dinge«, dann zog er an der Zigarette und überschüttete mich mit einem Funkenregen.
Ich schwieg weiter: Ich war damals schüchtern. Er rauchte die Zigarette zu Ende, steckte sich eine neue an und setzte sich neben mich auf die Steine. Von Zeit zu Zeit murmelte er etwas vor sich hin, doch das Rauschen des Wassers verschluckte die Worte, und ich hörte nur ein unverständliches Gebrumm.
Schließlich erklärte er laut: »Nein, das ist wirklich zu viel. Ich muss es jemandem erzählen.«
Und zum ersten Mal seit seinem Erscheinen wandte er sich direkt an mich: »Tun Sie mir einen Gefallen und hören Sie mich an, bitte.«
Ich war natürlich bereit, ihm den Gefallen zu tun.
Er sagte: »Ich muss allerdings weit ausholen, denn wenn ich Ihnen gleich erzähle, worum es geht, werden Sie es weder verstehen noch glauben. Es kommt mir aber sehr darauf an, dass Sie mir glauben. Niemand glaubt mir, und jetzt ist es schon so weit gekommen ...« Er schwieg eine Weile. »Angefangen hat es, als ich noch ein Kind war. Ich lernte Geige spielen und zerbrach dabei vier Trinkgläser und eine Schüssel.«
»Wie das?«, fragte ich, und augenblicklich fiel mir ein Witz ein, wo eine Dame zur anderen sagt: ›Stellen Sie sich vor, gestern hat uns der Hausknecht Brennholz hereingeworfen und den Kronleuchter zerschlagen ...‹ Es gibt so einen alten Witz.
Der Fremde lachte bitter und sagte: »Stellen Sie sich das vor. Vier
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