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Kapitaen Bykow

Kapitaen Bykow

Titel: Kapitaen Bykow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Strugatzki
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Gläser und eine Schüssel gleich im ersten Monat des Unterrichts. Schon damals hat mein Lehrer gesagt, dass er nie im Leben dergleichen erlebt hätte.«
    Ich schwieg, doch auch ich dachte bei mir, dass das wohl reichlich seltsam ausgesehen haben musste. Ich stellte mir vor, wie er mit dem Geigenbogen ausholte und von Zeit zu Zeit in die Vitrine traf. Das mochte ihn in der Tat zu weit geführt haben.
    »Es handelt sich um ein bekanntes physikalisches Gesetz«, erläuterte er überraschend. »Eine Resonanzerscheinung.« Und im selben Atemzug legte er mir die entsprechende Geschichte aus der Schulphysik dar, wie eine Kompanie Soldaten im Gleichschritt über eine Brücke geht und die Brücke zusammenbricht. Dann erklärte er mir, dass man auch Gläser und Schüsseln durch Resonanz zerstören kann, wenn man Schallschwingungen der entsprechenden Frequenzen wählt. Ich muss sagen, mir ist gerade seit jener Nacht klar geworden, dass Schall auch nichts anderes ist als Schwingung.
    Der Fremde erklärte mir, dass Resonanz im Alltagsleben (in der Hauswirtschaft, wie er sich ausdrückte) äußerst selten vorkommt, und zeigte sich sehr angetan von irgendeiner alten Gesetzessammlung, die auch solch einen unwahrscheinlichen Fall berücksichtigte undeine Strafe vorsah für den Besitzer des Hahnes, dessen Schrei beim Nachbarn einen Krug zerspringen ließ.
    Ich stimmte zu, dass dies wohl in der Tat eine seltene Erscheinung sei. Ich selbst hatte noch nie von Derartigem gehört.
    »Eine sehr, sehr seltene«, sagte er. »Und ich hab mit meiner Geige in einem Monat vier Gläser und eine Schüssel zerbrochen. Aber das war nur der Anfang.«
    Er steckte sich wieder eine Zigarette an und erklärte: »Meinen Eltern und Bekannten fiel sehr bald auf, dass ich das Butterbrot-Gesetz verletzte.«
    Diesmal beschloss ich, mir keine Blöße zu geben, und sagte: »Eine seltsamer Name.«
    »Was für ein Name?«, fragte er. »Ach, das Gesetz? Nein, das ist kein Name. Das ist ... wie soll ich es Ihnen sagen ... eine Art Scherz. Wissen Sie, es gibt eine ganze Gruppe von Redensarten: Was man am meisten fürchtet, trifft gewiss ein ..., ein Stück Brot fällt immer auf die bestrichene Seite ... Das will heißen, dass das Schlechte öfter passiert als das Gute. Oder wissenschaftlich formuliert: Die Wahrscheinlichkeit eines wünschenswerten Ereignisses ist immer kleiner als die Hälfte.«
    »Die Hälfte wovon?« Kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, begriff ich, dass ich wieder hereingetappt war.
    Er zeigte sich sehr erstaunt über meine Frage. »Kennen Sie denn die Wahrscheinlichkeitstheorie nicht?«
    Ich antwortete, dass wir das noch nicht durchgenommen hätten.
    »Aber dann können Sie ja gar nichts verstehen«, sagte er enttäuscht.
    »Dann erklären Sie’s doch«, erwiderte ich gekränkt, und folgsam begann er mit den Erklärungen. Er ließ mich wissen, die Wahrscheinlichkeit sei das quantitative Charakteristikum für die Möglichkeit, dass dieses oder jenes Ereignis einträte.
    »Und was hat das mit dem Butterbrot zu tun?«, fragte ich.
    »Das kann entweder mit der Butter zuunterst oder zuoberst fallen«, sagte er. »Also allgemein gesagt, wenn Sie das Brot auf gut Glück werfen, dann wird es mal so und mal so fallen. In der Hälfte der Fälle mit der Butter oben, in der anderen Hälfte mit der Butter unten. Klar?«
    »Klar«, sagte ich. Dabei fiel mir ein, dass ich noch nicht zu Abend gegessen hatte.
    »Es heißt dann, dass die Wahrscheinlichkeit des erwünschten Resultats gleich einhalb ist, gleich fünfzig Prozent.«
    Weiter erzählte er, dass das Butterbrot, wenn man es zum Beispiel hundertmal fallen ließ, vielleicht nicht fünfzigmal mit der Butter zuoberst fiel, sondern fünfundfünfzig- oder zwanzigmal, wenn man es aber sehr lange und oft wiederholte, würde die bestrichene Seite ungefähr in der Hälfte der Fälle oben liegen. Ich stellte mir dieses unglückselige Brot mit Butter (und vielleicht noch mit Kaviar) vor, nachdem es jemand tausendmal auf den Fußboden hatte fallen lassen, selbst wenn der nicht allzu schmutzig war, und ich erkundigte mich, ob sich tatsächlich Menschen damit befasst hätten. Darauf erzählte er, dass man zu diesem Zweck in der Regel keine Butterbrote benutzte, sondern Münzen wie beim Spiel »Zahl oder Wappen«, und er begann zu erläutern, wie das gemacht worden war. Dabei geriet er immer tiefer in den mathematischen Dschungel, sodass ich schon bald nichts mehr verstand, ich saß da, blickte in den bewölkten

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