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Kapitaen Bykow

Kapitaen Bykow

Titel: Kapitaen Bykow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Strugatzki
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berühmte Vakuumschweißer Borodin? Hatte er nicht den Sinn des Lebens darin erblickt, den Bauch auf einen passenden Altar zu legen? Und wer hat ihn schwankend gemacht – nicht mit Logik, sondern allein mit einem Gesichtsausdruck? Ein von der Fäulnis angegriffener Kneipier aus dem Wilden Westen. Er hat dich doch schwankend gemacht, oder?«
    »Nun ja ... in gewissem Sinne ...«
    »Na, ist das nicht ein Typ, dieser Borodin? Na, ist das Leben nicht einfach? Man sucht sich ein Prinzip aus, und fertig. Aber das Gute an Prinzipien ist gerade, dass sie altern. Sie altern schneller als ein Mensch, und dem Menschen bleiben nur die, die die Geschichte selbst diktiert. Zum Beispiel hat in unserer Zeit die Geschichte Jurkowski strikt erklärt: Basta! Keine Entdeckung ist auch nur ein einziges Menschenleben wert. Das Leben darf man nur um des Lebens willen aufs Spiel setzen. Das haben sich nicht die Menschen ausgedacht. Das hat die Geschichte diktiert, und die Menschen haben nur diese Geschichte gemacht. Dort aber, wo das allgemeine Prinzip mit einem persönlichen zusammenstößt – dort hört das einfache Leben auf, und das komplizierte beginnt. So ist das Leben.«
    »Ja«, sagte Jura. »Sicherlich.«
    Sie verstummten, und Shilin fühlte wieder die quälende Zerrissenheit, die ihm schon seit einigen Jahren keine Ruhe ließ. Als bliebe jedes Mal, wenn er zu einem Flug aufbrach, auf der Erde etwas ungewöhnlich Wichtiges zurück, eine Sache, die für die Menschen wichtiger war als das ganze übrige Weltall, wichtiger als die großartigsten Werke von Menschenhand.
    Auf der Erde blieben die Menschen, die Jugend, die Kinder. Dort blieben Millionen und aber Millionen von solchen Juras, und Shilin fühlte, dass er ihnen tüchtig zu helfen vermochte, wenigstens einigen von ihnen. Egal, wo. In einem Schulinternat. Oder in einem Werkszirkel. Oder in einem Jugendklubhaus. Ihnen auf dem Weg ins Leben zu helfen, dabei, sich selbst zu finden, ihren Platz in der Welt zu bestimmen, sie zu lehren, vieles zugleich zu wollen, ihnen den Wunsch beizubringen, in vollen Zügen zu arbeiten.
    Sie zu lehren, sich nicht vor Autoritäten zu beugen, sondern sie zu studieren und ihre Lehren mit dem Leben zu vergleichen.
    Sie zu lehren, die Erfahrung der Koryphäen mit Vorsicht aufzunehmen, weil sich das Leben ungewöhnlich schnell wandelt.
    Sie die Weisheit der Spießer verachten zu lehren.
    Sie zu lehren, dass man sich der Liebe nicht zu schämen braucht und nicht der aus Liebe vergossenen Tränen.
    Sie zu lehren, dass Skepsis und Zynismus im Leben billig zu haben sind, dass das viel einfacher und langweiliger ist, als das Leben mit Staunen und Freude zu nehmen.
    Sie Vertrauen in die Seelenregungen ihres Nächsten zu lehren.
    Sie zu lehren, dass man sich lieber zwanzigmal in einem Menschen täuschen als jedem mit Misstrauen begegnen soll.
    Sie zu lehren, dass es überhaupt nicht darum geht, wie andere auf dich wirken, sondern darum, wie du auf andere einwirkst.
    Und sie zu lehren,dass ein Mensch allein keinen Pfifferling wert ist.
    Jura seufzte und sagte: »Wanja, wir wollen Schach spielen.«
    »Gut«, sagte Shilin.

11. Dione. Auf allen vieren
    Den Direktor des Observatoriums auf der Dione kannte Jurkowski seit Langem, noch von der Zeit her, als jener Aspirant im Institut für Planetologie gewesen war. Wladislaw Kimowitsch Scherschen hatte damals bei Jurkowski den Sonderkurs »Riesenplaneten« gehört. Jurkowski hatte ihn wegen seiner intellektuellen Kühnheit und beispiellosen Zielstrebigkeit in guter Erinnerung behalten.
    Scherschen war seinem einstigen Lehrer zur Begrüßung bis in die Schleusenkammer entgegengekommen.
    »So eine Überraschung, so eine Überraschung«, sagte er, während er Wladimir Sergejewitsch unterfasste und in sein Arbeitszimmer geleitete.
    Scherschen war nicht mehr der alte. Den gutgewachsenen schwarzhaarigen Burschen, immer braungebrannt und ein wenig düster wirkend, gab es nicht mehr. Scherschen war bleich geworden, kahl und beleibt, und er lächelte andauernd.
    »So eine Überraschung aber auch!«, wiederholte er mit Genugtuung. »Was führt Sie denn zu uns, Wladimir Sergejewitsch? Und niemand hat uns benachrichtigt ...«
    In Arbeitszimmer bot er Jurkowski den Platz an seinem Tisch an, nachdem er eine Federpresse mit einem Berg Korrekturbögen beiseitegeschoben hatte, und setzte sich selbst auf einen Hocker gegenüber. Jurkowski schaute sich um und nickte wohlwollend. Das Zimmer war klein und kahl. Ein richtiger

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