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Kapitaen Bykow

Kapitaen Bykow

Titel: Kapitaen Bykow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Strugatzki
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Teilchen des lebenden Kolloids ist zu einer geordneten Bewegung geworden, und da hat es sie von der Erde losgerissen und davongetragen, ich habe keine Ahnung, wohin. Ein sehr, sehr unwahrscheinliches ... Sagen Sie mir jetzt nur eins: Muss ich mich für einen Mörder halten?«
    Ich war schockiert und schwieg. Zum ersten Mal kam mir in den Sinn, dass er sich das alles wohl ausgedacht hatte. Er aber sagte wehmutsvoll: »Und wissen Sie, das ist nicht einmal die Hauptsache. Letzten Endes kann sie irgendwo an einem Baum hängen geblieben sein. Ich hab ja nicht nach ihr gesucht, weil ich Angst hatte, sie nicht zu finden. Wissen Sie ... früher betrafen alle diese Wunder nur mich. Ich mochte die Fluktuationen nicht besonders, aber die Fluktuationen, wissen Sie, mochten mich außerordentlich. Und jetzt? Wenn diese Sachen nun auch meinen Bekannten passieren ...? Heute fliegt die Freundin davon, morgen versinkt ein Kollege im Erdboden, übermorgen ... Na zum Beispiel Sie. Schließlich sind Sie jetzt vor nichts sicher.«
    Das hatte ich schon selbst begriffen, und mir wurde richtig spannend und unheimlich zumute. Das wär doch was, dachte ich. Wenn es nur schon losginge! Plötzlich schien es mir, als flöge ich davon, und ich klammerte mich an den Stein unter mir. Der Fremde stand unvermittelt auf.
    »Wissen Sie, ich gehe lieber«, sagte er mit kläglicher Stimme. »Ich mag keine sinnlosen Opfer. Sie bleiben sitzen, und ich gehe. Dass mir das nicht früher eingefallen ist!«
    Er ging eilig den Strand entlang, von Stein zu Stein tretend, dann rief er plötzlich von Weitem: »Sie werden mir sicher verzeihen, wenn Ihnen etwas geschieht! Ich kann doch nichts dafür!«
    Er entfernte sich immer weiter. Bald sah ich ihn als kleine schwarze Gestalt vor dem Hintergrund der leicht phosphoreszierenden Dünung. Mir schien es, als holte er aus und würfe etwas Weißes in die Wellen. Es war wohl die Sandale. So trennten wir uns.
    Leider würde ich ihn in der Menge nicht wiedererkennen. Höchstens, wenn ein Wunder geschähe. Ich habe nie wieder von ihm gehört, aber soviel ich weiß, hat sich in jenem Sommer an der Küste nichts Besonderes ereignet. Wahrscheinlich ist seine Freundin doch noch an irgendeinem Strauch hängen gelieben, und später haben sie geheiratet. Schließlich hatte er ausgesprochen ernste Absichten. Ich weiß nur eins: Wenn ich irgendwann einem neuen Bekannten die Hand schüttele und plötzlich fühle, dass ich zur Quelle eines starken Mangnetfeldes werde, und außerdem feststelle, dass der neue Bekannte viel raucht, oft hustet, so »k-hm-hhm«, dann heißt das, wissen Sie, das ist er, das Phänomen, der Brennpunkt der Wunder, die gigantische Fluktuation.

Shilin beendete die Erzählung und musterte siegesgewiss die Zuhörer.
    Jura gefiel die Geschichte, aber wie immer vermochte er nicht zu sagen, ob Shilin sich das alles ausgedacht oder die Wahrheit erzählt hatte. Sicherheitshalber hatte er die ganze Zeit über skeptisch gelächelt.
    »Sehr schön«, sagte Jurkowski. »Aber am besten gefällt mir die Moral.«
    »Was denn für eine Moral?«, wollte Bykow wissen.
    »Die Moral lautet so«, erklärte Jurkowski. »Es gibt nichts Unmögliches, sondern nur wenig Wahrscheinliches.«
    »Und außerdem«, sagte Shilin, »ist die Welt voller erstaunlicher Dinge – dies zum einen. Und zum anderen: Was wissen wir von den Wahrscheinlichkeiten?«
    »Versucht bloß nicht, mir was einzureden.« Bykow stand auf. »Ich sehe doch, Iwan, dass dir Michail Antonowitschs schriftstellerischer Lorbeer keine Ruhe lässt. Diese Erzählung kannst du in deine Memoiren einbauen.«
    »Das werde ich unbedingt tun«, erwiderte Shilin. »Ist doch eine gute Geschichte, nicht wahr?«
    »Danke, Wanja«, sagte Jurkowski. »Du hast mich aufs Beste unterhalten. Ich möchte nur wissen, woher bei ihm das elektromagnetische Feld gekommen sein mag.«
    »Ein Magnetfeld«, berichtigte ihn Shilin. »Er hat von einem Magnetfeld gesprochen.«
    »Hm-ja«, sagte Jurkowski nachdenklich.
    Nach dem Abendessen blieben sie zu dritt in der Messe. Michail Antonowitsch, dessen Wache zu Ende war, machte es sich in Bykows Sessel behaglich, um vor dem Schlafengehen»Die Geschichte vom Prinzen Genji« zu lesen. Jura und Shilin saßen vor dem Videoschirm, um sich etwas Leichtes anzusehen. Das Licht in der Messe war gedämpft, nur auf dem Bildschirm zogen die dumpfen, düsteren Farben schrecklicher Dschungel vorüber, durch die die Forscher vordrangen, und in der Ecke blinkte unter der

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