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Kapitaen Bykow

Kapitaen Bykow

Titel: Kapitaen Bykow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Strugatzki
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niemanden.«
    Sie schaute zum Fenster hinaus, und er begriff plötzlich. »Du hast jemanden begleitet«, sagte er leise.
    Sie nickte.
    »Wen? Etwa uns?«
    »Ja.«
    Ihm blieb fast das Herz stehen. »Mich?«, fragte er. Grischa kam zurück und stellte zwei eiskalte, beschlagene Gläser auf den Tisch.
    »Nein«, erwiderte sie.
    »Wen dann?«, fragte er gramvoll. »Wolodja?«
    »So ist es.«
    Grischa entfernte sich still.
    »Was für ein netter Junge«, sagte sie. »Wie alt ist er?«
    »Achtzehn.«
    »Was denn, achtzehn schon? Das ist zu komisch! Weißt du, er hat nicht die geringste Ähnlichkeit mit Bykow. Nicht mal seine roten Haare hat er.«
    »Tja, die Zeit vergeht«, sagte Dauge. »Ich fliege jetzt nicht mehr.«
    »Warum nicht?«, fragte sie teilnahmslos.
    »Die Gesundheit.«
    Sie warf ihm einen schnellen Blick zu. »Stimmt, du siehst nicht gerade gut aus. Aber sag mal ...« Sie verstummte. »Bykow, wird er bald auch nicht mehr fliegen?«
    »Wie bitte?«, fragte er verblüfft.
    »Ich mag es nicht, wenn Wolodja allein auf Reisen geht, ohne Bykow«, sagte sie, verstummte und schaute erneut zum Fenster hinaus. »Ich habe große Angst um ihn. Du kennst ihn ja.«
    »Aber was hat Bykow damit zu tun?«, fragte er, unangenehm berührt.
    »Mit Bykow ist es nicht so gefährlich«, erwiderte sie einfach. »Nun ja, und wie geht es nun dir, Grigori? Irgendwie merkwürdig, dass du plötzlich nicht mehr fliegst.«
    »Ich werde im Institut arbeiten«, sagte Dauge.
    »Arbeiten ...« Sie schüttelte den Kopf. »Arbeiten ... Schau doch mal in den Spiegel, wie du aussiehst.«
    »Dafür hast du dich kein bisschen verändert.« Dauge lächelte schief. »Bist du verheiratet?«
    »Weshalb sollte ich?«, entgegnete sie.
    »Ich bin ebenfalls Junggeselle geblieben.«
    »Das wundert mich nicht.«
    »Weshalb?«
    »Du taugst nicht zum Ehemann. Das weiß ich aus eigener Erfahrung.«
    Dauge lachte gezwungen. »Du brauchst nicht gleich über mich herzufallen«, sagte er, »ich wollte bloß ein bisschen mit dir reden.«
    »Früher waren deine Reden interessanter.«
    »Was denn, ist es dir schon langweilig? Wir unterhalten uns doch erst fünf Minuten.«
    »So war es nicht gemeint«, erwiderte sie höflich. »Ich höre dir mit Vergnügen zu.«
    Sie schwiegen. Dauge rührte mit dem Strohhalm im Glas.
    »Übrigens begleite ich Wolodja immer«, sagte die Frau unvermittelt. »Ich habe Freunde in der Verwaltung und erfahre auf diese Weise stets, wann ihr wegfliegt. Und von wo. So bin ich jedes Mal dabei.« Sie nahm den Strohhalm aus ihrem Glas, zerdrückte ihn und warf ihn in den Aschenbecher. »Er ist der einzige mir nahestehende Mensch in eurer verrückten Welt. Er kann mich zwar nicht leiden, trotzdem ist er der Einzige, der mir nahesteht.« Sie hob das Glas und trank einige Schlucke. »Eine verrückte Welt. Und eine idiotische Zeit«, sagte sie müde. »Die Menschen haben es völlig verlernt zu leben. Arbeit, Arbeit, Arbeit ... Aller Lebenssinn liegt in der Arbeit. Die ganze Zeit suchen sie nach irgendwas. Die ganze Zeit bauen sie irgendwas. Wozu bloß? Ich versteh ja, dass es früher notwendig war, als es noch an allem mangelte. Als es diesen ökonomischen Kampf gab. Als wir noch beweisen mussten, dass wir es nicht schlechter können als die andern, sondern besser. Wir haben es bewiesen. Der Kampf jedoch ist geblieben. Ein irgendwie unfasslicher, unwirklicher Kampf, den ich nicht begreife. Aber vielleicht begreifst du ihn, Grigori?«
    »Ich begreife ihn«, sagte Dauge.
    »Du hast schon immer alles begriffen. Hast die Welt verstanden, in der du lebst. Du, Wolodja und dieser langweilige Bykow. Manchmal glaube ich, dass ihr nur einfach sehr beschränkt seid. Menschen, unfähig, die Frage ›Wozu?‹ zu stellen.« Sie nahm erneut ein paar Schlucke. »Weißt du, ich habe kürzlich einen Schullehrer kennengelernt. Er bringt den Kindern ganz furchtbare Dinge bei. Er lehrt sie, dass arbeiten viel interessanter ist als sich zu amüsieren. Und sie glauben ihm, verstehst du? Aber das ist doch grauenvoll! Ich habe mit seinen Schülern gesprochen, und ich hatte den Eindruck, dass sie mich verachten. Wofür denn? Etwa dafür, dass ich das einzige Leben, das ich habe, so verbringen will, wie es mir gefällt?«
    Dauge konnte sich dieses Gespräch zwischen Maria Jurkowskaja und den fünfzehnjährigen Jungen und Mädchen aus der Kreisschule lebhaft vorstellen. Wie solltest du das auch verstehen, dachte er. Wie könntest du begreifen, was es heißt, wochenlang,

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