Kapitaen Bykow
Zeit. Noch bevor der erste Egel getötet wurde. Die heutigen Hypothesen sind weitaus interessanter.«
»Ach ja?«, sagte Penkow.
»Bis heute hat noch niemand erklären können, weshalb die Egel über die Menschen herfallen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es sich bei ihnen um eine schon vor langer Zeit herausgebildete Gewohnheit handelt. Deshalb drängt sich die Frage auf, ob es auf dem Mars nicht doch eine Rasse aufrecht gehender Zweibeiner gibt.«
»Klar gibt es sie«, erwiderte Sergej, »schon seit dreißig Jahren.«
Felix lächelte höflich. »Es besteht die Hoffnung, dass uns die Egel zu dieser Rasse hinführen.«
Eine Weile schwiegen alle. Matti sah Felix neidvoll an. Er beneidete alle Leute, denen bedeutende Aufgaben zufielen. Die Beobachtung der Marsegel war schon für sich genommen eine fesselnde Beschäftigung, wenn sie nun aber noch mit einer solchen Frage verbunden wurde ... Matti ließ in Gedanken alle interessanten Aufgaben Revue passieren, die er selbst in den vergangenen fünf Jahren zu lösen gehabt hatte. Am interessantesten war die Konstruktion des diskreten Spürjägers gewesen. Eine Patrouillenkamera, die sich in ein riesiges neugieriges Auge verwandelte, um die Entstehung und Bewegung »fremder« Lichtpunkte am nächtlichen Himmel zu verfolgen. Sergej sauste nachts über die Dünen, mit einer Taschenlampe, die er von Zeit zu Zeit aufblinken ließ, die Kamera aber heftete sich ihm lautlos und gespenstisch an die Fersen, folgte jeder seiner Bewegungen ... Na ja, dachte Matti, das war damals auch nicht übel.
Plötzlich sagte Sergej verdrießlich: »Wie wenig wir doch im Grunde wissen!« – Penkow, der geräuschvoll seinen Kaffee schlürfte, hielt inne, schaute ihn an. – »Und wie gering unser Erkenntnisdrang ist! Tag für Tag, Dekade für Dekade stecken wir bis zum Hals in Belanglosigkeiten ... Wir wühlen in der Elektronik herum, machen die Summierer kaputt und reparieren sie wieder, wir zeichnen Tabellen, schreiben Artikelchen und alle möglichen Berichte ... Widerlich!« Er griff sich an die Wangen und rubbelte sie kräftig. »Gleich hinter der Umzäunung erstreckt sich über Tausende von Kilometern eine völlig unbekannte, fremde Welt. Wie gern würde ich auf alles hier pfeifen und durch die Wüste marschieren, immer der Nase nach, um mir eine richtige Aufgabe zu suchen ... Ist doch beschämend, Jungs, beschämend und lächerlich –hier auf dem Mars zu sitzen und vierundzwanzig Stunden am Tag nichts anderes zu sehen als die Blinkeraufzeichnungen und die triste Miene Penkows ...«
»Dann pfeif doch auf alles, Serjosha, und zieh deiner Wege«, sagte Penkow sanft. »Verding dich bei den Bauleuten. Oder bei Felix.« Er drehte sich zu Rybkin um: »Würdet ihr ihn nehmen?«
Rybkin zuckte die Achseln.
»Nicht doch, Penkow, mein Lieber, das würde alles nichts helfen.« Sergej kniff die Lippen zusammen und schüttelte seinen hellen Schopf. »Dazu muss man was können. Aber was kann ich schon? Blinker reparieren ... Bis zwei zählen und mit dem Kleincomputer Integralrechnungen durchführen. Nun gut, den Crawler kann ich fahren, doch nicht mal das wie ein Profi. Und was kann ich sonst?«
»Rumjammern kannst du wie ein Profi«, sagte Matti. Er schämte sich ein bisschen vor Rybkin wegen Serjosha.
»Ich jammre nicht rum, ich bin wütend. Weil wir so selbstzufrieden und beschränkt sind! Möchte wissen, wo wir das herhaben! Wieso sind wir der Meinung, es sei wichtiger, einen Platz für das Observatorium zu finden, als den Planeten entlang dem Meridian zu durchqueren, von einem Pol zum andern? Wieso ist es wichtiger, nach Erdöl zu suchen statt nach Geheimnissen? Als ob wir nicht genug Erdöl hätten.«
»Und Geheimnisse haben wir wohl nicht zur Genüge?«, konterte Matti. »Dann setz dich doch hin und löse ein begrenztes T-Problem ...«
»Ich will es aber nicht lösen! Weil ich’s nämlich langweilig finde, mein armer Matti! Langweilig, hörst du! Ich bin schließlich ein kerngesunder, kräftiger Kerl und kann einen Nagel mit den bloßen Fingern verbiegen ... Weshalb also soll ich über Papierchen hocken?«
Er verstummte. Es war ein lastendes Schweigen, und Matti dachte, es wäre nicht schlecht, das Thema zu wechseln. Nur wusste er nicht, wie er das anstellen sollte.
Da schaltete sich Natascha ein: »Im Großen und Ganzen bin ich anderer Meinung als Serjosha, doch eins stimmt – wir stecken ein bisschen zu tief im täglichen Einerlei. Da überkommt einen mitunter der große Verdruss
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