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Kapital: Roman (German Edition)

Kapital: Roman (German Edition)

Titel: Kapital: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchaster
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Buchhaltung dabei, eine Abrechnung aufzustellen, welche dann wiederum der Buchhaltung offiziell vorgelegt wurde, die sie schließlich wieder zurück an die Abteilung schickte. Roger hörte kaum zu, war eigentlich gar nicht anwesend. Er fühlte sich so jung, als hätte gerade eben der Frühling begonnen. In Wirklichkeit war der Tag eher grau, vor dem Fenster von Rogers Büro hing der Himmel schwer und tief über der Stadt, und ein rauher, beißender Wind scheuchte die Wolken forsch vor sich her wie ein wütender Polizist. Aber das war Roger egal. Wenn man ihn nachdem Grund seiner guten Laune gefragt hätte, dann hätte er keinen nennen können.
    Seit am 27. Dezember das neue Kindermädchen eingetroffen war, war Roger mehr oder weniger ununterbrochen gut gelaunt gewesen. Während Matya unten bei den Kindern war, in die sie sich offenbar auf den ersten Blick verliebt hatte – was durchaus auf Gegenseitigkeit beruhte –, konnte Roger in seinem Arbeitszimmer im oberen Stockwerk in aller Ruhe seine Rache planen. Er legte eine Clash-CD in seine teure Stereoanlage und zückte ein Notizbuch. Zuoberst schrieb er »Sparmaßnahmen«. Und darunter notierte er:
    Tatsache: 1000000 £ zu wenig.
    Notwendige Konsequenz: Ausgaben einschränken.
    Maßnahme: Budget fürs Shoppen um 70 Prozent kürzen.
    (Das bedeutete, dass Arabella ihre Ausgaben in einem dramatischen, wenn nicht gar spektakulären Ausmaß zurückschrauben musste. Jetzt war es aus und vorbei damit, dass sie kaufte, was sie wollte und wann sie es wollte.)
    Alle Anschaffungen und Ausgaben über einer bestimmten Höhe müssen gemeinsam besprochen und bewilligt werden. Schlage eine anfängliche Grenze von 100 £ vor.
    (Arabella liebte es, Geld auszugeben, aber sie hasste es wie die Pest, um Geld zu bitten. Das gemeinsame Konto, so wie es im Augenblick eingerichtet war, befreite sie von dieser Notwendigkeit. Roger hatte sich auch nie die Mühe gemacht, jeden Monat die Kontoauszüge durchzusehen. Aber das würde sich jetzt gründlich ändern. Und auf die 100-Pfund-Begrenzung würde sie mit absoluter Fassungslosigkeit reagieren, das wusste Roger schon jetzt.) Entweder Minchinhampton oder Ibiza/Verbier/Toskana, aber auf keinen Fall beides.
    (Das war definitiv ein Schlag unter die Gürtellinie, denn es war Arabellas ausdrücklicher Wunsch, sowohl ein Haus auf dem Land als auch zwei Urlaube pro Jahr im Ausland zu haben.)
    Keine weiteren Arbeiten am Haus.
    (Der Satz wurde besonders schön durch das »weitere«.)
    Keine zusätzliche Buchung von Kindermädchen, weder an Wochenenden noch in den Ferien.
    (Das war in Rogers Augen Arabellas größter taktischer Fehler gewesen. Die Tatsache, dass er die Kinder über Weihnachten ganz allein gehabt hatte, machte ihn automatisch zum Experten für Kinderbetreuung. Er wusste nun, was sie brauchten und was nicht. Sie brauchten ihr neues Kindermädchen Matya, aber sie brauchten keine weitere Hilfe, jedenfalls keine, die Arabella nicht selbst leisten konnte.)
    Von allen Gesichtspunkten war es dieser letzte, der Roger am meisten erheiterte. Ganz aus Versehen hatte sie ihm die Kontrolle über eins ihrer Hoheitsgebiete übertragen. Roger war in die Bresche gesprungen und hatte die Angelegenheit mit dem Kindermädchen selbst in die Hand genommen. Arabella hatte bis jetzt noch nie ein attraktives Kindermädchen eingestellt, darüber hatte er sie mit ihren Freundinnen im Scherz reden hören, auch wenn es sicherlich ein halb ernst gemeinter Scherz gewesen war. Jetzt hatte Roger das für sie erledigt. Und er würde in dieser Sache keinen Zentimeter nachgeben.
    Roger stellte die Musik lauter – »Guns of Brixton«, eines seiner Lieblingslieder –, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Währenddessen legte ersich einen Dialog zurecht, mit dem er Arabella bei ihrer Rückkehr empfangen wollte. Er nahm an, dass das entweder an diesem Abend oder am nächsten Morgen sein würde.
    »Hattest du eine schöne Zeit, mein Schatz? Na, hoffentlich. Wir jedenfalls haben uns köstlich amüsiert. Ich hoffe, du hast dir nicht zu viel Sorgen um die Jungs gemacht, sie haben kaum gemerkt, dass du nicht da warst. Kinder sind eben einfach unverwüstlich, findest du nicht auch?«
    Es würde schwierig werden, diesen Satz auszusprechen, ohne eine Miene zu verziehen und ohne seine Wut und männliche Hysterie durchscheinen zu lassen. Aber es würde die Mühe wert sein.
    Mittags ging Roger nach unten, um Joshua in seinem Kinderstuhl und

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