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Kapital: Roman (German Edition)

Kapital: Roman (German Edition)

Titel: Kapital: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchaster
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sonst, und er machte immer wieder kleine zuckende Bewegungen mit dem Kopf, als befände er sich in einem imaginären Fußballspiel und kämpfte gerade in der Luft um einen Kopfball. Mal eben einen ins untere Eck tropfen lassen, oder den Ball zu seinem Stürmerkollegen rüberschieben. »Er ist mehr als so weit. Er ist noch viel weiter als weit. Er ist nicht nur so weit, er ist ein glühender Komet.« Als gehörte der Gedanke, Freddy sei so weit, jetzt ganz allein ihm und als müsse er nun versuchen, Patrick die Idee zu verkaufen.
    Ein wenig widerstrebend sagte Patrick: »Ich mache mir keine Sorgen um seine körperliche Kondition, sondern um seinen Kopf.« Es ging ihm ein wenig gegen den Strich, sich mit diesen Gedanken irgendjemandem anzuvertrauen, aber er hatte niemanden sonst, mit dem er darüber sprechen konnte. Er ließ Mickey nur ungern an seinen Gefühlen teilhaben, und es war das erste Mal, dass er das tat. Mickey, der trotz all seiner lautstarken Art eigentlich ein einfühlsamer Mensch war, erkannte das und nahm Patricks Worte sehr ernst.
    »Wenn ich den Eindruck hätte, er wüsste, was das für eine große Sache ist, dann würde ich mir auch Sorgen machen«, sagte Mickey. »Aber er ist erst siebzehn. Er kann es unmöglich wissen. Für ihn ist das einfach nur ein weiteres Spiel – ein großes Spiel, das größte, das er je hatte, aber eben nur ein weiteres Spiel. Wir sind diejenigen, die sich die Sache zu Herzen nehmen. Er wird gut damit klarkommen. In zehn Jahren wird er an diese Geschichte zurückdenken und ganz fassungslos sein, wie selbstverständlich er damit umgegangen ist, dass er es einfach hingenommen hat, als sei es das Natürlichste der Welt.«
    »Ja, klar«, sagte Patrick. Aber dennoch schien Freddy die ganze Woche sehr aufgeregt zu sein. Seit er die Nachricht gehört hatte, war er nicht mehr in der Lage gewesen, ordentlich zu schlafen oder still auf einem Stuhl zu sitzen. Er sprang durch die Gegend und war gleichzeitig aufgeregt, nervös und starr vor Angst. Es war fast unmöglich, sich nicht von seiner Begeisterung und Nervosität anstecken zu lassen. Deshalb fühlte sich Patrick am Samstagmorgen in dem Hotel, in dem die Mannschaft vor einem Spiel immer übernachtete, so gerädert und gestresst wie kaum je zuvor in seinem Leben. Als Freddy für die Mannschaftsbesprechung, die nach dem Frühstück angesetzt war, nach unten ging, legte er sich auf sein Doppelbett, zappte sich durch die Fernsehkanäle, spielte mit dem Flaschenöffner der Minibar herum und drückte immer wieder auf den Knopf, mit dem sich die Vorhänge elektrisch auf- und wieder zufahren ließen. Er schaltete das Radio ein, in dem gerade eine Sportsendung lief, bei der Anrufer ihre Meinung abgeben konnten. Und dann schaltete er das Radio wieder aus. Schließlich schaute er nach, ob es in dem Zimmer eine Bibel gab, konnte aber keine finden. Er war nicht in der Lage gewesen, irgendetwas zu essen.
    Freddy wirkte nach der Mannschaftsbesprechung etwas gelassener. Als Patrick das auffiel, hätte er ihn beinahe gefragt, was dort gesagt worden war, aber dann widerstand er der Versuchung. Sie trödelten eine Weile herum und gingen dann nach unten, um in den Bus zu steigen. Weil Freddy juristisch gesehen das einzige noch minderjährige Mannschaftsmitglied war, fuhr Patrick an den Spieltagen als einziger Verwandter eines Spielers zusammen mit der Mannschaft mit. Oft fühlte sich das wie ein Privileg an, aber heute glich es mehr einer Tortur. Ein oder zwei der älteren Spieler kamen zu ihm herüber, begrüßten ihn und fragten, ob alles in Ordnung sei. Der zwanzig Millionen Pfund teure Mittelfeldspieler legte seinen Arm um Patricks Schultern und sagte: »Es ist ein bisschen so wie bei der Geburt eines Kindes. Als meine Frau die Wehen bekam, wissen Sie, was die Hebamme da zu mir gesagthat? Sie hat gesagt: ›Schauen Sie nicht so verängstigt drein! Von den Ehemännern ist uns noch kein einziger hops gegangen.‹«
    Es war nett gemeint gewesen, aber Patrick wurde von einer plötzlichen Erinnerung an Freddys Mutter heimgesucht, und ihm wurde schmerzlich bewusst, dass sie nicht hier war, oder jedenfalls nur durch Freddys Gegenwart hier war, denn seine schlaksige Anmut hatte er von ihr geerbt. All die Dinge, die sie verpasst hatte, lasteten ihm einen Moment lang auf der Seele. Der Mittelfeldspieler presste die Hand auf seine Schulter.
    »Es wird schon alles gutgehen, mein Freund«, sagte er. Er drückte ihn noch ein wenig fester auf die Schulter,

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