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Kapital: Roman (German Edition)

Kapital: Roman (German Edition)

Titel: Kapital: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchaster
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Verhaltenskodizes einhielten, und die für das Risikomanagement verantwortlich war. Als Mark eines Tages bei seinem Kollegen vorbeischaute, war dieser gerade nicht in seinem Büro und hatte auf dem Schreibtisch einen Notizblock liegen lassen, auf dem eine Reihe von Zahlen stand. Mark vermutete, dass es sich dabei um das stark verschlüsselte Passwort für irgendeinen Zugang handelte. Er entschloss sich, trotz des hohen Risikos um den Tisch herumzulaufen, um einen Blick auf den Computerbildschirm zu werfen. Dabei stellte er fest, dass sich das Passwort seines Kollegen zwar wöchentlich änderte, dass er aber darüber hinaus – weil man sich diese Passwörter unmöglich merken konnte – auch eine Passwortdatei angelegt hatte, für die er jetzt, dank dieses Notizblocks, den Schlüssel besaß. Es war tatsächlich alles sehr einfach, wenn man genau wusste, was man tat. Mark hatte bereits ein altes Konto entdeckt, das früher einmal am Tagesende zum Ausgleich von Transaktionen gedient hatte und das eigentlich nur zu einer kurzfristigen, vierundzwanzigstündigen Benutzung gedacht gewesen war; aber gerade weil es so lange nicht benutzt worden war, konnte er es nun aus dem System der Compliance löschen, ohne dass irgendeine Diskrepanz aufgetaucht wäre. Jetzt konnte er sich also ohne das Wissen seiner Kollegen in deren Konten einloggen, Handel treiben und die Profite (und auch Verluste, falls es die geben sollte, was aber eher unwahrscheinlich war) auf dem reaktivierten Konto parken. Das System war so angelegt, dass es alle statistischen Anomalien aufspürte. Aber er konnte seinen Zugriff auf die Compliance ja jetzt leicht dazu benutzen, alle Warnsignale im Auge zu behalten und die gefährlichen Elemente schnell löschen, bevor es jemandem auffiel. Jetzt konnte es losgehen!
    Der Plan war ganz einfach. Er würde handeln, natürlich nicht mit seinem eigenen Konto – er war ja schließlich kein Dieb –, sondern mit dem der Bank, bis er so an die fünfzig Millionen Pfund verdient hatte. Ein gravierender Betrag. Ein Betrag, der die Banknicht in Gefahr brachte, der aber einen unumstößlichen Beweis für Marks Talent liefern würde. Und dann würde er die Karten auf den Tisch legen. Ihnen erzählen, was er gemacht hatte, und sie dann selbst ihre Schlüsse ziehen lassen, wobei sie nur zu einem einzigen Ergebnis kommen konnten: dass er jemand war, der Risiken einging, verbunden mit dem Talent, eine spektakuläre Rendite einzufahren, und dass nun fünfzig Millionen gute Gründe existierten, ihm das zu geben, was er wollte – nämlich, jedenfalls für den Moment, Rogers Job.
    Mark hatte diese Woche bereits seine ersten Handelsgeschäfte gemacht. Der Finanzsektor durchlief gerade eine unruhige Phase. Aus der US-Derivatenbörse hörte man alle möglichen Gerüchte über schlimme Dinge, die dort passierten, aber Mark war schon immer der Überzeugung gewesen, dass man erst bei schlechtem Wetter beweisen kann, was für ein guter Seefahrer man ist. Er hatte einige Derivate erworben und eine langfristige – und optimistische – Position bei dem Verhalten des argentinischen Pesos gegenüber dem Yen aufgebaut. Innerhalb von zweiundsiebzig Stunden hatte sich die Währung um sechs Prozent in die richtige Richtung bewegt. Dank der Hebelwirkung und des wertsteigernden Effekts von Derivaten hatte Mark seine Wette nahezu verdoppelt, was bedeutete, dass er auch das Geld der Bank verdoppelt hatte. Danach hatte er die Position aufgelöst und den Profit auf dem reaktivierten Konto versteckt. Anschließend hatte er eine große Wette auf den Dollar abgeschlossen, den guten alten, sehr aus der Mode gekommenen Dollar, gegenüber einem Korb aus zahlreichen anderen Währungen. Diese Wette verlief so hervorragend, dass er die Position noch offen gelassen hatte und auf dem besten Wege war, sein Geld noch einmal zu verdoppeln. Das war nicht einfach nur ein Beweis dafür, dass er ein Talent für diese Art von Handel hatte, es war nicht nur ein Symptom: Es war die Sache an sich. So und nicht anders sah Genialität aus.
    Es war nicht ganz leicht gewesen, in die Position zu gelangen, auf der er nach Belieben schalten und walten konnte. Das fandMark durchaus okay, die Schwierigkeiten waren schließlich der springende Punkt. Zu so etwas waren die meisten Leute eben nicht fähig. Sein Gesicht, die Maske, unter der er sich versteckte, sein Thomas-Pink-Hemd, sein Gieves & Hawkes-Anzug und seine Prada-Schuhe mochten zwar nichts Außergewöhnliches sein (auch wenn

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