Kapital: Roman (German Edition)
erotischere Frau und eine bessere Mutter für unsere Kinder, als du es je sein wirst, eine Frau, mit der ich mit größter Freude zweimal am Tag leidenschaftlichen Sex gehabt hätte –, »… ein Luxus, den wir uns nicht leisten können.«
»Oh«, sagte Arabella.
»Ja, ganz recht«, sagte Roger. »Du wirst also die Mama spielen müssen. Die ganze Nacht und den ganzen Tag. Das volle Programm. Die Rechnung ist ganz einfach – uns bleibt gar keine andere Wahl.«
»Oh«, sagte Arabella noch einmal. In Gedanken tanzte Roger eine schadenfrohe, höhnische Tarantella des Triumphs.
89
Es ging alles sehr schnell. Die Younts teilten Matya mit, dass sie ihr kündigen mussten. Die vereinbarte Kündigungsfrist war ein Monat. Matya sagte, dass sie zwar traurig sei, es aber verstehen könne. In ein paar Wochen würde sie also aufhören, für sie zu arbeiten, und Arabella würde zum ersten Mal eine Vollzeitmama sein, Tag und Nacht, sieben Tage die Woche.
Als sie die Neuigkeiten erfuhr, fühlte sie zunächst einmal gar nichts. Roger und Arabella hatten es ihr mitgeteilt, während sie ihr am Küchentisch gegenübersaßen und Tee tranken, den Matya selbst gekocht hatte. Die Jungs saßen derweil im Medienzimmer und schauten eine DVD von Shaun das Schaf . Sie hatte gemerkt, dass Roger seinen Job verloren hatte. Wie hätte ihr das auch entgehen können: Von einem Tag auf den anderen war der Ehemann, der zu Hause sonst immer vollkommen unsichtbar gewesen war, allgegenwärtig. Roger war schon allein wegen seiner Körpergröße kaum zu übersehen: Er nahm auf ganz elementare Weise sehr viel Raum ein. Und er breitete einen ungeheuren Lärmteppich um sich aus. Das Haus wirkte sofort sehr viel kleiner. Er hielt sich andauernd in der Küche auf oder donnerte die Treppe hoch, um sich dort in maximaler Lautstärke seine Punk-CDs anzuhören. Während er früher unter der Woche ausschließlich klassische Anzüge getragen hatte, sah man ihn jetzt nur noch im Bademantel oder in irgendwelchen scheußlichen kurzen Hosen, knielang und khakifarben, mit riesigen, ausgebeulten Taschen. Er bot ständig seine Hilfe an und – wie Matya nicht umhin konnte zu bemerken – verpasste keine Gelegenheit, sie zu begaffen, besonders von hinten und insbesondere dann, wenn sie sich vorbeugen musste, etwa, um die Spülmaschine oder Waschmaschine zu beladen oder irgendetwas mit den Kindern zu machen. Es ging alles ein bisschen zu weit.
Weil sie wusste, dass Roger ganz plötzlich und auf dramatische Weise seinen Job verloren hatte, konnte sie sich leicht ausrechnen, dass ihr eigener Job dieser Situation recht bald ebenfalls zum Opfer fallen würde. Als Arabella sie also um »ein kleines Gespräch« bat, ahnte Matya bereits, was folgen würde. Erst später, im Verlauf des Nachmittags, begann sie darüber nachzudenken, was das Ganze tatsächlich für sie bedeutete. Sie würde sich wieder auf die ach so mühsame Arbeitsuche machen müssen. Das hatte sie schon eine ganze Weile nicht mehr getan, und sie hegte keinerlei Illusionen über den Verlauf einer solchen Suche. Es würde eine todlangweilige Tortur werden, sie würde lächeln und nett tun und gleichzeitig versuchen müssen, herauszufinden, ob ihre potentiellen Arbeitgeber verlässlich waren und nicht vollkommen durchgeknallt, und ob die Kinder sich so benahmen, dass sie sich vorstellen konnte, sie neun Stunden am Tag zu betreuen. Es war ein sehr lästiger Prozess, aber sie wusste, dass sie es schaffen würde, weil sie es auch früher jedes Mal geschafft hatte. Was die Situation jedoch noch schlimmer machte, war, dass sich ihre Wohngemeinschaft gerade aufgelöst hatte und sie sich deshalb eine neue Bleibe suchen musste. Und das war in London mehr als lästig. Allein die körperliche Mühe, die das mit sich brachte – die U-Bahn-Fahrten und Busfahrten und das ganze Herumgerenne. Und vorher musste man Kleinanzeigen durchkämmen, durch die Angebote im Internet surfen, die kostenlosen Zeitungen durchlesen, zahllose Textnachrichten verschicken, Besichtigungstermine und Interviews vereinbaren, erst die Adressen und dann die Wohnungen selbst überprüfen und schließlich auch noch die potentiellen Mitbewohner – all das war furchtbar ermüdend, deprimierend und erbarmungslos und ließ einen spüren, wie erdrückend groß London war. Aber auch das kannte sie schon. Auch das hatte sie früher schon einmal hinter sich gebracht.
Was sie jedoch noch nie zuvor getan hatte und was ihr deshalb vollkommen fremd war, war
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