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Kapital: Roman (German Edition)

Kapital: Roman (German Edition)

Titel: Kapital: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchaster
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hörte der Musik nicht wirklich zu. Patrick war zum Kiosk gegangen, um eine Zeitung zu kaufen, musste aber nun feststellen, dass er sich nicht darauf konzentrieren konnte. Eine Mischung aus Müdigkeit, Angst und fehlenden Sprachkenntnissen führte dazu, dass die Buchstaben vor seinen Augen zu tanzen begannen und sich einfach nicht zu vernünftigen Worten zusammenfügen wollten. Er hätte zu Hause anrufen können – Adede und die Mädchen waren jetzt sicherlich schon aufgestanden –, aber das hätte so verunsichert und besorgt gewirkt, dass sich Freddy dadurch nur noch unbehaglicher gefühlt hätte. Es blieb ihm also nichts anderes übrig, als darauf zu vertrauen, dass Mickey sich melden würde, sobald es ihm möglich war.
    Die letzten zwei Monate waren für sie beide sehr schlimm gewesen – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Freddy hattehauptsächlich an körperlichen Beschwerden gelitten. Er war zum zweiten Mal an seinem Knie operiert worden. Nach Aussage des Chirurgen – des angesehensten und gleichzeitig auch pessimistischsten der drei Spezialisten – war der Eingriff gut verlaufen, aber die Rekonvaleszenz zog sich sehr lange hin und war ebenso schmerzhaft wie langweilig. Freddys Übungsplan war wesentlich stumpfsinniger, als sein Fußballtraining es je gewesen war. Er hatte nicht das Gefühl, volle Kontrolle über seinen Körper zu haben, und das hasste er. Der ganze Prozess war wie ein langsames, körperliches Sichbewusstwerden der Realität, der er sich nun stellen musste: Er würde möglicherweise nie wieder gesund werden, nie wieder derselbe sein, und sein Leben als Fußballer war mit ziemlicher Sicherheit vorbei. Er würde das, was der Sinn seines Lebens gewesen war, nie wieder tun können. Freddy neigte nicht zu Depressionen, aber selbst er fühlte sich manchmal so, als hätte man mit dem, was ihm passiert war, eine Art Todesurteil über ihn gefällt.
    Patricks Elend spielte sich eher im Kopf ab. Er war von dem Gefühl besessen, dass ihr Unglück noch kein Ende gefunden hatte und dass noch viel mehr schieflaufen würde. Die Versicherung würde das Schlupfloch finden, nach dem sie so offensichtlich suchte, ein Schlupfloch, das es ihr ermöglichte, die Zahlung zu verweigern, und Freddy würde trotzdem nie mehr in der Lage sein, Fußball zu spielen. Sie würden an allen Fronten verlieren: keine Versicherung, keine Existenzgrundlage und keine Möglichkeit für Freddy, das zu tun, was er liebte. Sie waren voller Hoffnung nach London gekommen und würden es von allem entblößt wieder verlassen. Das Einzige, was ihnen noch übrigblieb, war, wieder heimzukehren. Das war jedoch in Patricks Augen ein so überwältigender Trost, dass auch diese Vorstellung für ihn zu einer Art Tortur geworden war. Zu Hause, Afrika, Senegal, Linguère, ihr Haus, ihr Bett, neben Adede aufzuwachen, das Gewicht seiner Töchter, wie sie auf ihm herumhüpften und umarmt werden wollten, ein Abend in der Polizeibar mit seinen alten Kollegen,das Essen, das tatsächlich auch nach etwas schmeckte, das Zischen beim Öffnen eines kalten Bieres in einer heißen Nacht, das Gefühl des perlenden Kondenswassers an der Flasche, wenn man sie sich über die Stirn rollte, das Bewusstsein, an einem Ort zu sein, den er kannte und an dem man ihn kannte, und den ihm zugewiesenen Platz in der Welt einzunehmen. Die eigene Sprache zu sprechen, den ganzen Tag. Zu Hause zu sein. Alles, was das mit sich brachte – zu Hause.
    Beide Kamos zuckten zusammen, als sie hörten, wie jemand den Schlüssel in das Schloss der Haustür steckte. Mickey ging genauso vor wie immer: Er schloss die Tür auf, öffnete sie einen Spaltbreit, klingelte dann an der Tür, um sein Kommen anzukündigen, und betrat schließlich das Haus. Nun, das Haus gehörte ja auch ihm – was er wahrscheinlich unbewusst auf diesem Wege noch einmal unterstreichen wollte. Er kam lebhaft ins Wohnzimmer gesprungen, was bei jedem anderen Menschen wohl ein gutes Zeichen gewesen wäre. Mickey jedoch versuchte mit Absicht, immer so energisch wie möglich zu wirken, wenn er schlechte Neuigkeiten zu verkünden hatte. Er wollte nicht, dass man ihm auf Anhieb ansah, was er sagen würde.
    »Tut mir leid, ich konnte gestern Abend nicht mehr anrufen. Die Besprechung ging bis nach zehn, und ich wollte euch so spät nicht mehr stören. Und außerdem wollte ich es euch auch nicht am Telefon erzählen. Also hier bin ich«, sagte Mickey. Er wusste, dass Patrick nicht auf den Gedanken kommen würde, ihm eine

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