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Kapital: Roman (German Edition)

Kapital: Roman (German Edition)

Titel: Kapital: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchaster
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Monaten wie ein Mann aus, der etwas gefunden hatte, auf das er sich freuen konnte – »fahren wir heim.«

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    In der Pepys Road Nummer 42 war man damit beschäftigt, den Garten aufzugraben, der Petunia Howes größte Freude und Trost gewesen war, und ihn durch etwas anderes zu ersetzen. Zbigniew stand am Fenster des Schlafzimmers im ersten Stock, jenes Zimmers, in dem Petunia gestorben war, und schaute zu.
    Er war noch einmal zurückgekommen, um in dem Zimmer ein paar Steckdosen zu reparieren. Die elektrischen Leitungen waren ein wenig zu locker montiert gewesen, weshalb in der Stromversorgung ein Wackelkontakt entstanden war. Er hatte auf seine Arbeit ein Jahr Garantie zugesagt, und es machte ihm nichts aus, noch einmal herzukommen und die Sache in Ordnung zu bringen, obwohl das Haus gar nicht mehr den Leatherbys gehörte. Ein Citybanker und seine amerikanische Frau, ein kinderloses Paar Anfang dreißig, hatten es für 1550000 £ gekauft. Im Augenblick standen noch keine Möbel darin; die neuen Besitzer hatten vor, die Wände von einer anderen Firma neu streichen zu lassen. Auch das machte Zbigniew nichts aus. Das gehörte eben dazu, wenn man ein Haus so herrichtete, dass es verkauft werden konnte – man musste davon ausgehen, dass die neuen Besitzer alles verändern wollten. Das Haus gehörte sowieso nicht ihm. Aber wie er gerade feststellen musste, fand er es gar nicht gut, dass man den Garten einfach aufgegraben hatte. Die neuen Besitzer wollten, dass alles etwas moderner aussah. Die üppigen, ins Kraut geschossenen, unverwüstlichen und in die Höhe gewucherten Blumenbeete der alten Mrs Howe sollten durch ein geometrisches Muster aus Holzplatten, Kieseln und Pflastersteinen ersetzt werden, mit einem Brunnen am unteren Ende und vier kleinen, quadratischen, sauber gepflanzten Beeten mit niedrigen Sträuchern. Im Augenblick waren vier Männer der Gartenbaufirma damit beschäftigt,Petunias Garten herauszureißen und den Abfall durch die zum Schutz der Teppiche mit Plastikplanen ausgelegte Wohnung zu dem Baucontainer zu tragen, der vor dem Haus stand.
    Der Sonntag, an dem Zbigniew das Geld genommen und Mrs Leatherby zurückgegeben hatte, war schließlich der beste Tag in seinem Leben geworden. Der erste Grund dafür war, dass Mrs Mary Leatherby ihn noch am frühen Abend angerufen und ihm erzählt hatte, dass das Geld die ganze Zeit wertlos oder zumindest fast wertlos gewesen war. Hätte Zbigniew versucht, es auszugeben, dann hätte er keine harmlose Erklärung dafür gehabt, wie er an diese ganzen veralteten Banknoten gekommen war. Man hätte ihn als Dieb verhaftet. Er hätte seine Ehre verloren, und das auch noch für nichts und wieder nichts. Er fühlte sich wie jemand, der ohne zu schauen auf die Straße hatte hinaustreten wollen, sich jedoch im letzten Moment eines Besseren besonnen hatte und dadurch gerade eben noch einem heranrasenden Auto entgangen war.
    Aber das war nicht der Hauptgrund, warum es der beste Tag seines Lebens wurde. Der Hauptgrund war, dass Matya, als er zurück zum Bahnhof gekommen war und sie draußen vor dem Café entdeckt hatte, auf seine Frage: »Und, was sollen wir jetzt tun?«, mit den Schultern gezuckt und gesagt hatte: »Lass uns miteinander schlafen.« Einen Moment lang hatte er geglaubt, das Opfer einer akustischen Halluzination geworden zu sein. Aber der Blick, den sie ihm zuwarf, machte ihm klar, dass er sich das nicht nur eingebildet hatte. Das war der glücklichste, beste und überraschendste Moment in seinem bisherigen Leben gewesen. Sie hatten die Fahrt zurück nach London damit verbracht, sich zu küssen, hatten in der U-Bahn weitergeknutscht, auch den gesamten Weg die Treppen hinauf zu ihrer Wohnung mit dem Küssen nicht aufgehört und waren dann im Bett geblieben, bis es für sie beide am Montagmorgen Zeit gewesen war, zur Arbeit zu gehen. Es wäre vielleicht übertrieben zu sagen, dass sie seitdem das Bett nicht wieder verlassen hatten. Aber allzu sehr übertrieben war es nicht. Er konnte einfach nicht genug von ihr kriegen, von ihrem Körper und ihrerGesellschaft – es war nicht nur der Sex (obwohl der natürlich ein sehr wichtiges Element war). Und das Erstaunlichste war, dass sie, ihren eigenen Worten und ihrem Verhalten nach zu urteilen, ihm gegenüber genau dasselbe zu fühlen schien. Sie sagte, sie mochte es, wie ehrlich er war und wie fest er auf seinen Füßen stand. Zbigniew war sich nicht ganz sicher, was sie damit meinte, also nahm er es einfach als

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