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Kapital: Roman (German Edition)

Kapital: Roman (German Edition)

Titel: Kapital: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchaster
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graben, und das Loch dann zum Kunstwerk erklären, oder vielmehr die Verwirrung und das Chaos, die durch das Loch entstanden – die Reaktion der Leute, nicht die Sache selbst. O ja – ein verdammt großes Loch, ohne jeden Grund. Sollen sich die Wichser doch darüber streiten, wer es wieder auffüllt. Auch das gehörte zum Kunstwerk.
    So hatte sich Smitty einen Namen gemacht: durch anonyme Kunst in Form von Provokation, Graffiti, Vandalismus, der knapp an der Kriminalität vorbeischrammte, und Stunts. Er war berühmt dafür, dass ihn keiner kannte, ein Prominenter ohne Identität, und man war sich darüber einig, dass seine Anonymität sein interessantestes Kunstwerk war – auch wenn seine Stunts ebenfalls sehr gut ankamen, weil sie die Leute zum Lachen brachten. Er hatte ein Team, dessen Mitglieder er schon seit einer Ewigkeit kannte und das ihm half, wann immer er Hilfe brauchte. Letztes Jahr hatten der Verkauf von signierten Werken und das Buch, das er über sich selbst geschrieben hatte, sein Einkommen zum ersten Mal über die Marke von 1000000 £ gehoben.
    Smitty hasste es, Sachen aufzuschreiben. Damit hatte er schon in der Schule Schwierigkeiten gehabt und war deswegen von den Lehrern auf Fächer abgeschoben worden, die eigentlich gar keine richtigen Fächer waren, wie zum Beispiel Kunst. Das wiederumhatte dazu geführt, dass er später Kunst studiert hatte, weswegen er überhaupt erst an den Punkt gekommen war, an dem er heute stand, vielen herzlichen Dank. Diese Schreibschwierigkeiten waren auch der Grund, warum er lieber so ein scheiß Hand-Diktiergerät benutzte. Aber er fand es klasse, dass dieser Gegenstand, der eigentlich eher ein Werkzeug korporativer Unterwerfung war und besser zu der Sorte Mann gepasst hätte, die »Machen Sie eine Aktennotiz, Fräulein Potter« hineinmurmelte, in seinen Händen zu einem Instrument von Subversion, Kreativität und Chaos wurde. Sein Assistent würde das Ganze später schriftlich festhalten und ihm dann eine SMS auf sein vertragsfreies Handy schicken, das er sich besorgt hatte, damit seine Nachrichten nicht zurückverfolgt werden konnten. Diese Vorsicht kam daher, dass ein Großteil seiner Arbeit und ein noch größerer Teil des Reizes, den er auf die Leute ausübte, in seiner totalen Anonymität lag. Das hatte ihn berühmt gemacht. Niemand wusste, wer er war, oder wie er es jedes Mal schaffte, ungestraft davonzukommen. Im Fall des Loch-Projektes war das Davonkommen ein sehr wichtiger Bestandteil der Sache. Andere Künstler würden für das Loch die Erlaubnis der Stadt einholen und sich für das Ganze noch irgendein scheiß Stipendium an Land ziehen. Aber das war nicht sein Stil. Er drückte die Aufnahmetaste und sagte:
    »Riesenscheißloch.«
    Smittys Assistent kam die Treppe hoch, legte einen Stapel Zeitungen auf den Tisch und brachte ihm seinen Cappuccino. Der Kaffee war fast noch heiß, jedenfalls nicht kalt genug, um sich zu beschweren, und der Assistent war außer Atem, hatte sich also ganz offensichtlich beeilt. Wenn man das alles zusammenzählte, hieß das wohl, dass es nicht gerade gerechtfertigt wäre, ihn zur Sau zu machen. Trotzdem ärgerte sich Smitty ein wenig. Der Assistent war ein Junge aus der Mittelschicht, der so tat, als sei er ein cleveres Arbeiterkind. Das machte Smitty an sich nichts aus, denn er war selber einmal genau so gewesen – aber er hätte es dann doch vorgezogen, seinen Cappuccino kochend heiß zu trinken. Als derJunge die Post aus seiner Tasche zog, besserte sich Smittys Laune sofort, denn er hatte zwischen den Briefen einen fetten Umschlag von seiner PR-Agentur entdeckt. Seine absolute Lieblingslektüre, und was er sich am allerliebsten anschaute oder anhörte, waren Sachen, die mit ihm selbst oder seiner Arbeit zu tun hatten. Meistens konzentrierte sich die Berichterstattung auf das erstaunliche Phänomen seiner Anonymität, das seine Arbeit so spannend machte.
    Smitty riss den Umschlag auf, und ein Haufen Zeitungsausschnitte fiel heraus. Die meisten davon beschäftigten sich mit der Taschenbuchausgabe, die kürzlich von seinem Buch erschienen war, aber ein paar waren Besprechungen einer neuen Installation, die er auf einer stillgelegten Baustelle in Hackney inszeniert hatte. Er hatte sie Ein Eimer voll Scheiße genannt und dafür zehn kaputte Klos inmitten des Bauschutts arrangiert. Aber anstatt mit Scheiße waren sie mit Schnittblumen gefüllt gewesen, die er und sein Team zusammengedrückt und mit Farbe besprüht hatten, so dass

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