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Kapital: Roman (German Edition)

Kapital: Roman (German Edition)

Titel: Kapital: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchaster
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sie wie überdimensionale Scheißhaufen aussahen. Dann hatten sie Fotos gemacht und per E-Mail Mitteilungen an die Presse verschickt. Die städtischen Bauunternehmer hatten das Werk innerhalb von achtundvierzig Stunden verschwinden lassen; aber der Ertrag der Aktion fand sich hier in den Zeitungsartikeln, von denen die meisten positiv waren. Der allgemeine Tenor war, dass es bei diesem Werk um städtische Sanierung gegangen sei und um die Leichtigkeit, mit der wir an der urbanen Unterschicht vorbeigehen, ohne sie wahrzunehmen: »Der Guerillakämpfer mischt sich wieder ein.« Wie gewöhnlich gab es ein oder zwei Flachköpfe, die keinen Schimmer hatten, was das Ganze bedeuten sollte, aber das war egal. Es ging ja schließlich nicht darum, bei allen beliebt zu sein.
    »Kann ich mir die Ausschnitte mal ansehen?«, fragte der Junge. Das gehörte zu seinen guten Seiten, war vielleicht sogar seine beste – er war sichtlich begeistert von Smittys Berühmtheit und dieser Aura von Gefahr, die ihn umgab. Smitty warf die Ausschnittevor dem Jungen auf den Tisch und ging zurück zu seinem Aussichtspunkt am Fenster. Die Lektüre hatte ihn in eine abgeklärte und souveräne Stimmung versetzt. In dieser Verfassung wurde er immer ganz mitteilsam.
    »Du musst zu einem Markenzeichen werden, Mann. Und dann suchst du dir eine Sache, die zum Himmel stinkt, wo du den Leuten so richtig aufs Dach steigen kannst. So’n Projekt hier, der Eimer , das muss durchdacht sein und sorgfältig umgesetzt, und es ist noch schwieriger, wenn du’s inkognito machen willst, so dass keiner es zurückverfolgen kann. Da musst du wahnsinnig vorsichtig sein und deine Spuren verwischen – wie diese Typen, die Indianer, die rückwärts in ihren eigenen Fußstapfen gehen, verstehste? Und Kohle verdienste damit auch nicht. Nullomat. Nicht einen Penny. Was nicht heißen soll, dass nichts dabei rauskommt oder dass man dadurch nicht weiterkäme. Das Zeug, das du nicht verkaufen kannst, das macht den ganzen anderen Kram erst real. Das kannste nicht kommerzialisieren. Das ist der springende Punkt. Aber es bringt was für dein Mojo, deine Aura. Und das versetzt dich in die Lage, auch Sachen zu machen, die du dann verkaufen kannst. Verstehst du? Also diese Geschichte hier, mit dem Eimer, die letztendlich vier- oder fünftausend oder so was in der Richtung gekostet hat, das ist langfristig gesehen genau das, was diese Zeitungen und diesen Cappuccino hier finanziert.«
    Der Assistent, der diese Rede schon in verschiedenen anderen Varianten gehört hatte, nickte zustimmend. Aber er sah nicht so aus, als wäre er völlig bei der Sache, nicht so aufmerksam, wie man das vielleicht hätte erwarten können, und Smitty missbilligte das. Wenn man mal ehrlich war, gingen ihm all diese Leute, die so sein wollten wie er, ziemlich auf die Nerven. In Wirklichkeit war ihre Bewunderung nämlich Neid. Er war nicht alt, nicht mal ansatzweise – er war erst achtundzwanzig, verdammte Scheiße! –, aber er kannte sich jetzt schon voll und ganz mit der Sorte Kids aus, die dachten, es wäre superleicht, sich einen Namen zu machen. Sieglaubten, man müsse nur darauf warten, dass all diese alten Säcke zur Seite rückten und Platz machten, und dann würde automatisch ihr eigener Name in allen Zeitungen stehen. Diese Erfolgsund Leistungstypen, die noch nichts geleistet und noch keinen Erfolg gehabt hatten. Die sich ein Label auf die Brust klebten, ohne dass überhaupt was draufstand. Diese Möchtegern-Senkrechtstarter. Sie waren halb verliebt in die Leute, die sie zu ihrem Vorbild gemacht hatten, und zur anderen Hälfte hassten sie sie. Sie kochten vor Neid, aber das war ihnen bei ihrer Selbstdiagnose glatt durch die Lappen gegangen. Dieser Junge hier war genauso und ließ eindeutig Zeichen von mangelhaftem Respekt erkennen. Er mochte Smittys Berühmtheit, aber schien sich nicht darüber im Klaren zu sein, dass Smitty selbst aus der Geschichte eben nicht wegzudenken war. Interesssierte sich mehr für seine eigene Arbeit als für die seines Arbeitgebers – auch wenn er keine Arbeit vorzuweisen hatte, die überhaupt diesen Namen verdiente. Smittys Agent und Galerist hatte ihn empfohlen, mit den Worten, er sei ein intelligenter Kerl, der mit irgendeiner berühmten Person verwandt sei, und hätte gerade seinen Abschluss an Saint Martins oder Clerkenwell oder so ähnlich gemacht. Er war tatsächlich intelligent, und an guten Tagen hatte er diesen hungrigen Blick, der Smitty durchaus gefiel, aber

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