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Kapital: Roman (German Edition)

Kapital: Roman (German Edition)

Titel: Kapital: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchaster
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der Junge musste aufpassen. Er wirkte wie jemand, der am Wochenende öfter mal ein paar Pillen einwarf. Smitty redete gerne über das Leben auf großem Fuß, und dass man die Sau rauslassen sollte, aber wenn man einmal von der Phrasendrescherei absah, war er sehr vorsichtig und heikel, was Drogen anbetraf: kleine Mengen, sorgfältig ausgesucht, zum richtigen Zeitpunkt und in der richtigen Gesellschaft. Er machte sich so viel Mühe bei der Suche und Auswahl seiner Drogen wie andere Leute etwa bei der Jagd nach dem besten Biofleisch. Wenn sich sein Assistent von Freitag bis Sonntag so zudröhnte, dass bei der Arbeit seine Konzentration litt, dann würde er sich bald als Ex-Assistent wiederfinden. Ein Ex-Assistent mit einer wasserdichten Vertraulichkeitsklausel im Vertrag.
    Ein Piepston war zu hören. Der Junge fischte sein Handy aus der Tasche.
    »Sie haben mich gebeten, Ihnen Bescheid zu sagen, wenn es halb elf ist«, sagte er.
    »Alles klar«, sagte Smitty. Er steckte sein eigenes Handy, seine Brieftasche und die Autoschlüssel ein. »Muss was erledigen. Meine Oma.«
    »Tut mir leid«, sagte der Junge. Seine Stimme hatte dabei einen ganz leichten, kaum wahrnehmbaren Unterton von Ironie, der Smitty nicht im Geringsten gefiel. Okay, das war’s, sagte er sich. Du bist gefeuert. Er verließ den Raum in einer echt beschissenen Laune und ging zu seinem Auto.

13
    Smitty hätte keine Sekunde gezögert zuzugeben, dass er ein absolut mieser Enkel war. Er wohnte in Hoxton, seine Oma in Lambeth, und er besuchte sie wie oft? Ungefähr dreimal im Jahr? Weihnachten feierten sie immer zusammen bei seiner Mutter. Aber das war alles, was er in 365 Tagen zustande brachte.
    Smittys Mutter war noch sehr jung gewesen, als er geboren wurde – einundzwanzig –, und Petunia hatte sich ziemlich viel um ihn gekümmert, als er klein war, hatte auf ihn aufgepasst und für ihn gekocht und all solche Sachen. Er hatte damals sehr an ihr gehangen. Sie hatte gut mit Kindern umgehen können, war immer zärtlich zu ihm gewesen und hatte nie die Geduld verloren. Wenn man einmal darüber nachdachte, dann hatte er sie bis heute kein einziges Mal wütend gesehen – und jetzt war er achtundzwanzig. Er hatte sich auch gut mit seinem Großvater verstanden, den er nur Albopa genannte hatte (Albert plus Opa). Sein Großvater war mürrisch und gleichzeitig sehr lustig gewesen, die Art von Erwachsener, die sich wunderbar mit kleinen Kindern verstand, weil sie im Grunde genommen selbst noch eins war. Als Smittys Eltern nach Essex zogen, sah er seine Großeltern viel seltener, genauer gesagt, so gut wie nie. Er machte die übliche Teenagerphase durch, in der er fand, dass seine Großeltern komisch rochen und langweilig waren und beim Kauen hässliche laute Geräusche machten. Er hatte gerade erst begonnen, aus dieser Phase herauszuwachsen, als sein Großvater ganz plötzlich starb. Im selben Jahr begann Smitty sein Kunststudium. Er war auf die Goldsmiths-Universität gegangen, die ganz in der Nähe bei seiner Oma war, und er hätte es sich leicht zur Gewohnheit machen können, sie regelmäßig zu besuchen. Seine Absichten waren die besten. Nur leider handelte er nicht danach.
    Aber trotzdem verstand sich Smitty nach wie vor sehr gut mit seiner Großmutter. Er konnte sich in ihrer Gegenwart ganz entspannt geben und seine Deckung fallen lassen. Es war nicht so wie bei seiner Mutter, bei der er das Gefühl hatte, sich immer in Acht nehmen zu müssen. Das lag zum Teil an seiner Arbeit. Seine Mutter fragte ihn jedes Mal aus, und dann wimmelte er sie mit irgendwelchem Gerede über seine Kunst ab, wobei er ganz bewusst den Eindruck hinterließ, dass er eher im Bereich der kommerziellen Kunst tätig war, als Werbegrafiker oder so was in der Art. Sie ahnte – mit Hilfe ihrer mütterlichen Antennen –, dass er ziemlich erfolgreich war, wusste aber nicht, dass er in Wahrheit ein Heidengeld verdiente. (Natürlich würden einige von Smittys Kumpeln in der Kunstwelt behaupten, dass seine Kunst absolut kommerziell war, in einem größeren Zusammenhang gesehen. Aber das fand Smitty durchaus in Ordnung.) Sein Vater wusste nichts über die Einzelheiten seiner Arbeit und schien sich auch nicht besonders dafür zu interessieren. Es genügte ihm zu wissen, dass Smitty einen unternehmerischen Geist hatte und im Leben schon zurechtkommen würde. »Er ist ein geborener Zocker, genau wie ich«, sagte er immer zu Smittys Mutter, oft genug in seinem Beisein. Auch das war eine

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