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Kapital: Roman (German Edition)

Kapital: Roman (German Edition)

Titel: Kapital: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchaster
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fand, dass sie gut aussahen, diese Häuser. Sie wirkten gemütlich, und wie so viele andere Dinge in London hatten sie etwas Luxuriöses, Glänzendes, Vollendetes an sich. Dann war er endlich zu Hause angekommen. Die Mieter im Erdgeschoss waren noch bei der Arbeit. Er rannte die Treppen hoch und schloss die Tür auf. Tomas und Gregor, die beiden neuen Mitglieder von Piotrs Truppe, saßen auf dem Sofa und spielten God of War .
    Aber es gab noch eine Sache, die er erledigen musste, bevor er sich entspannen konnte. Zbigniew ging in das Zimmer, das er sich mit Piotr teilte, und zog seinen Laptop unter dem Bett hervor, wo er ihn zum Aufladen hingestellt hatte. Er klappte ihn auf und fuhr das Gerät hoch. Diese Wohnung war nicht perfekt, und sie mit fünf anderen teilen zu müssen war auch nicht perfekt, und es war erst recht nicht perfekt, ein Schlafzimmer mit einem ein Meter neunzig großen Freund zu teilen, der schnarchte. Aber einer der Vorteile an dieser Wohnung waren die beiden Nachbarn, die ihre W-Lan-Verbindungen nicht verschlüsselt hatten. Zbigniew loggte sich ein und überprüfte seine Wertpapierbestände. Im Augenblick konnte er sich an keinem Daytrading beteiligen, weil das Haus, in dem er arbeitete, keinen Breitbandanschluss hatte – aber er hatte trotzdem 8000 £, seine gesamten Ersparnisse, in Aktien angelegt. Im Moment waren das hauptsächlich Hightech-Aktien. Die Hälfte seiner Wertpapierbestände lag bei Google, Apple und Nintendo, deren Wert sich im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt hatte. Heute hatten sich GOOG, AAPL und NTDOY hauptsächlich seitwärts bewegt, und seine Nettoposition lag um 12,75 £ über der Position des Vortages. Das war keine wesentliche Veränderung, und Zbigniew hielt es daher nicht für nötig, etwas zu unternehmen. Also fuhr er den Computer wieder herunter, ging duschen und warf dann die Würstchen in die Pfanne.

12
    Smitty – der Performance- und Installationskünstler und die Allround-Legende der gesamten Kunstwelt – stand am Fenster seines Ateliers in Shoreditch und wartete darauf, dass sein neuer Assistent zurückkam, um ihm seinen dreifachen Cappuccino und die Tageszeitungen zu bringen. Weil er heute seine Großmutter besuchen würde, trug er einen schwarzen Anzug und ein weißes Hemd. In diesem Outfit sah er, wie er beim Betrachten seines Spiegelbilds im Fenster feststellte, einfach superelegant aus. Wenn seine Mutter ihn jetzt hätte sehen können, wäre sie sicherlich sehr erfreut gewesen. Das war also schon mal gut. Andere Dinge waren nicht so gut. Er war von der Leistung seines neuen Assistenten nicht gerade beeindruckt. Es war zwanzig Minuten her, dass er das Haus verlassen hatte, und man brauchte für den Weg hin und zurück nur ein Viertel dieser Zeit, was bedeutete, dass er mit einem Becher zwar schaumigen, aber eiskalten Kaffees zurückkommen würde.
    Er schaute aus dem Fenster und sah zu, was auf der Straße unten so vor sich ging: alte Leute, die sich mit ihren Einkaufstaschen vom Supermarkt nach Hause kämpften, eine Nutte auf Drogen, die zusätzlich noch ein Bier hinunterschüttete, asoziale Mütter aus der Siedlung mit ihren madig-weißen Babys und Immigranten aus Wer-weiß-wo, dem Kosovo wahrscheinlich, oder wo auch immer der letzte Schwung gerade herkam. Es war ziemlich laut da draußen. Der Verkehr brauste durch die Straße, und irgendwo war ein Pressluftbohrer in Betrieb. Überall hatten die Leute ihre vollkommen überfüllten organgefarbenen Recycling-Säcke übereinandergestapelt, und weil sie noch nicht abgeholt worden waren, wurde das Gehen auf dem Bürgersteig zu einem Hindernislauf von geradezu militärischen Ausmaßen. Smitty liebte alles, was erda sah. Es fand seine vollste Zustimmung. London, das Leben, das Leben in London. Er merkte, wie ihm eine Idee kam. Am anderen Ende der Straße stand eine Gruppe von Bauarbeitern in orangefarbenen Sicherheitswesten im Kreis um ein Loch herum, das sie vor ungefähr einer Woche ausgehoben hatten. Zwei von ihnen rauchten, der dritte lachte, der vierte trank etwas aus einer Thermosflasche, und neben ihnen stand ihr Bagger mit herunterhängender Schaufel. Wie sie da alle um das Loch herumstanden, konnte man den Eindruck bekommen, als seien sie einzig und allein an dem Loch interessiert und alle damit beschäftigt, es zu bewundern. Genau das hatte Smitty auf eine Idee gebracht: Er würde ein Kunstwerk über Löcher machen. Oder er würde Löcher zu Kunst machen. Ja, das war noch besser. Ein paar Löcher

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