Kapital: Roman (German Edition)
so, wie er aussah, sehr gut nach Balmoral gepasst hätte. Er war schon vorher ein paar Mal auf die Jagd gegangen, immer bei Einladungen, die mit der Arbeit zu tun hatten, und zu diesem Anlass hatte er sich auch diese ganze Ausrüstung gekauft. Roger hatte die Angewohnheit, sich einen Haufen teurer Ausrüstung zu kaufen, und zwar immer dann, wenn er mit dem Gedanken spielte, ein neues Hobby auszuüben. Er hatte versucht, diese Angewohnheit abzulegen, wusste aber nur zu gut, dass ihm das bisher nicht gelungen war. Das war mit der Fotografie so gewesen, als er sich eine unglaublich anspruchsvolle Kamera mit einem kompletten Satz Objektive gekauft hatte, nur um dann nach ungefähr zehn Bildern gelangweilt aufzugeben, weil ihm alles zu kompliziert war. Er hatte mit Fitnesstraining angefangen, sich einen Ergometer, ein Laufband und einen ganzen Fitnessraum für zu Hause gekauft, zusammen mit einer Mitgliedschaft in einem »Country Club« in London, die Arabella und er kaum je in Anspruch nahmen, weil es so mühsam war, dorthin zu kommen. Dann hatte er sich für Wein interessiert, hatte in ihrem umgebautenSouterrain einen Hightech-Weinkeller eingerichtet und ihn mit lauter teuren Flaschen gefüllt, die er auf Empfehlungen hin erworben hatte. Das Problem war nur, dass man das Scheißzeug dann jahrelang liegen lassen musste, bevor man es trinken durfte. Als Nächstes hatte er einen Timesharing-Anteil an einem Boot in Cowes gekauft, das sie genau ein Mal benutzt hatten. Diese Jagdausrüstung hatte er vor ungefähr vierundzwanzig Monaten erstanden, zusammen mit dem Purdey-Gewehr, das er bestellt hatte, als er vor fünfzehn Jahren seinen ersten richtigen Bonus bekommen hatte. Als es endlich geliefert wurde, hatte er das Interesse am Schießen schon fast wieder verloren. Trotzdem, es war ein wunderschönes Gewehr. Der Schaft aus sorgsam abgelagertem Walnussholz fühlte sich großartig an, und die Tatsache, dass das Gewehr für ihn persönlich, speziell für seinen Körperbau und sein Sehvermögen angefertigt worden war, hatte schon fast etwas Pornografisches. Selbst das Gewicht des Gewehrs beim Zielen war auf seine ganz persönliche Schusstechnik eingestellt worden. Das waren dreißigtausend gut angelegte Pfund gewesen – zumindest fühlte es sich heute so an.
Auch über die Wahl seines Schuhwerks war er froh. Sein Gastgeber Eric – »Eric der Barbar«, wie er sich selbst gerne vorstellte – trug Gucci-Turnschuhe, weil Stiefel seine Füße kleiner aussehen ließen. Eric war mehrere Hundertmillionen Pfund schwer und einer der besten Kunden von Pinker Lloyd. Und weil im Augenblick die Stimmung am Finanzmarkt ein wenig nervös war und Kredite immer teurer wurden, war er für die Bank besonders wertvoll. Es lag überhaupt nicht in seiner Natur, auf eine Baisse zu spekulieren, vielmehr war er ein geborener Optimist und unverwüstlicher Hausse-Spekulant. Pinker Lloyd lag ihm zu Füßen. Eric wurde das ganze Jahr über mit Firmengeschenken geradezu überschüttet, und einmal im Jahr revanchierte er sich dafür mit einer Einladung in seine »Jagdhütte« in Norfolk. Die Einladung entsprang nicht etwa dem Wunsch, großzügig zu sein. Er wollte schlicht und einfach nur angeben. Dieses Jahr hatte er Roger und Lothar und nochvier andere Kollegen eingeladen. Sie waren in vier identischen Range Rovern zu diesem Feld gefahren. Dann waren die Autos zurück zu Erics Haus geschickt worden, um dort ihr Picknick abzuholen, zusammen mit dem Personal, das es servieren sollte. Roger ging jede Wette ein, dass dieses »Picknick« ziemlich sensationell sein würde.
Der kurze Wintertag hatte nass angefangen, aber ungefähr um neun hatte es aufgehört zu regnen, und jetzt, um zehn, begann es sich aufzuklären. Lothar hatte noch vor dem Frühstück einen Zehn-Kilometer-Lauf absolviert und machte das übliche Theater darum, wie toll er es fand, im Freien und an der frischen Luft zu sein. Eric hatte, soweit Roger das erkennen konnte, keine einzige Sekunde mit seiner Prahlerei aufgehört, abgesehen von den Momenten, in denen er etwas aß oder trank, und selbst dann hielt er nur so lange inne, wie er brauchte, um sich zu räuspern.
»… und nachher am Flughafen schüttelte er dann meine Hand und verbeugte sich und den ganzen anderen Scheiß, den die so machen – und dann sagte er: ›Was in Seoul passiert, bleibt in Seoul begraben.‹ Ich habe mir fast in die Hose gemacht vor Lachen.«
Eric war ein Angeber der schlimmsten Sorte, das stand außer Frage.
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