Kapital: Roman (German Edition)
war, mit einem Hof in der Mitte. Die zweite Scheune war ausschließlich für Kinder gedacht. Das Erdgeschoss war mit lauter Spielzeug für die Kleineren vollgestopft: Es gab Legosteine, Barbie- und Bratz-Puppen, Nintendo Wii, Action Men und Holzspielzeug von Brio. Der obere Bereich war für ältere Kinder eingerichtet – hier standen eine PlayStation3, eine XBox 360 und ein Billardtisch. In beiden Räumen gab es Flatscreenfernseher und Regale mit zahlreichen DVDs. Und es gab zwei Kindermädchen. »Genau das ist doch der Sinn der ganzen Sache hier«, verkündete Eric seinen Besuchern gerne feierlich. »Hier sollen wirklich alle ihren Spaß haben!«
Das alles war für Arabella eine willkommene Überraschung gewesen. Sie war Eric vorher noch nie begegnet und hatte deshalb nicht gewusst, was sie dort erwarten würde. Roger hatte ihr gesagt, Eric sei ein fürchterlicher Angeber, aber das Haus sei wunderschön. Und er hatte recht behalten, das musste sie zugeben, auch wenn sie gerade nicht in der Stimmung war, Komplimente zu verteilen. Hier bekam man das volle Verwöhnprogramm, und Arabella liebte es von ganzem Herzen, verwöhnt zu werden. Siekonnte nie genug davon bekommen. Sie lebte sozusagen von einem Verwöhnmoment zum nächsten und fand das auch vollkommen in Ordnung. Und darüber hinaus war Mrs Eric einfach göttlich. Sie war Halbasiatin, etwa vierzig Jahre alt und eine ziemlich kleine, ziemlich rundliche und sehr geschwätzige Person. In diesem Moment saß sie zurückgelehnt und – von einem Handtuch mal abgesehen, das sie sich um den Kopf gewickelt hatte, um ihre Frisur vor dem Dampf zu schützen – splitterfasernackt neben Arabella auf der Marmorbank im Hamam. Arabella hatte den Hamam in einem Anflug von Scham zunächst mit Bademantel betreten, ihn aber mittlerweile ausgezogen. Was die anderen Ehefrauen anbetraf, so bekamen zwei von ihnen gerade eine Massage, eine war immer noch im Bett, und eine andere versuchte, sie alle damit zu beeindrucken, dass sie im Pool ihre Bahnen zog. Arabella und Naima waren bereits die besten Freundinnen geworden, denn sie hatten herausgefunden, dass sie beide leidenschaftliche X-Factor -Fans waren und sich schon im Vorfeld fest vorgenommen hatten, während des Wochenendes keine einzige Episode zu verpassen.
»Ich glaube, es ist Zeit für meine Maniküre«, sagte Naima. »Aber ich habe nicht die geringste Lust, mich zu bewegen.«
»Bewegung. Ist immer eine schlechte Idee«, sagte Arabella.
»Was ich sagen wollte«, knüpfte Naima an die Unterhaltung an, die sie vor fünf Minuten unterbrochen hatte, als sie vor Hitze betäubt in Schweigen versunken war. »Ich gehe nicht mehr zu Selfridges. Das ist einfach zu viel für mich. Die persönlichen Einkaufsassistenten sind klasse, und ich finde das Angebot echt toll – sie haben wirklich ein gutes Auge für Marken, und wenn du da ein neues Label siehst, dann ist es immer ganz reizend, aber nach zwei Stunden bist du vollkommen fertig . Als wärst du in einem riesigen Basar rumgelaufen. Aber was Liberty’s angeht …«
Arabella gab die nötigen Geräusche von sich, um zu zeigen, dass sie zuhörte und genau der gleichen Meinung war. Wer hätte gedacht, dass »Eric der Barbar«, der laut Roger absolut ekelhafteSachen über Frauen und Sex von sich gab, immer noch mit seiner ersten Frau verheiratet war, dem knuddeligen kleinen Dickerchen aus Werweißwo (Arabella glaubte nicht, sie bereits gut genug zu kennen, um sie zu fragen, wo sie herkam, und hatte außerdem das dumpfe Gefühl, dass Naima ihr das vielleicht schon gesagt hatte, als sie gerade nicht richtig zuhörte). Und bei all ihrer Schwafelei war es offensichtlich, dass sie einen sehr guten Geschmack hatte, oder zumindest Geschmack genug, um Leute einzustellen, die ihrerseits sehr guten Geschmack hatten, was am Ende auf dasselbe hinauslief. Arabella hatte einige Einrichtungsgegenstände gesehen, die bewiesen, dass hier ein Connaisseur zeitgenössischen Möbeldesigns am Werk gewesen war. Die Badezimmer und der Wellnessbereich waren mit teuren Kosmetika bestückt. Natürlich wirkte das Ganze ein bisschen wie ein Boutiquehotel, aber was machte das schon? Was gab es an einem Boutiquehotel auszusetzen?
Es war umso herrlicher, in der satten, feuchten Hitze zu liegen, wenn man wusste, wie kalt es draußen war. Beißend kalt, so kalt wie es nur Landluft im Winter sein konnte. Arabella war besonders empfindlich gegen Kälte. Sie konnte sich nie ganz entspannen, wenn sie jeden Moment damit
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