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Kapital: Roman (German Edition)

Kapital: Roman (German Edition)

Titel: Kapital: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchaster
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ist er online gegangen und hat sich eine Wohnung und ein Auto gemietet und sich eine neue Freundin besorgt, alles übers Internet und alles, bevor er überhaupt je einen Fuß in die Stadt gesetzt hat. Das ist wirklich so passiert, hab ich nicht erfunden.«
    »Die Welt hat sich verändert«, sagte seine Oma. Währenddessen rückte sie sorgfältig die Teekanne und die Tassen auf dem Tisch zurecht. Seine Oma war ein bisschen fanatisch, wenn es umTee ging. Sie liebte das ganze Ritual, wärmte die Kanne vor, benutzte richtige Teeblätter und keine Beutel und besaß echte Teetassen. Während sie damit beschäftigt war, schaute sich Smitty eine Postkarte an, die auf dem Tisch lag. Es war eine Schwarzweißfotografie, und es dauerte eine Weile, bis er erkannte, dass es sich um die Haustür von Pepys Road 42 handelte. Das Foto war in einem Stil aufgenommen, der künstlerisch wirken sollte. Man hatte die Kamera ganz tief gehalten und schräg nach oben gerichtet, so dass die obere Hälfte des Türrahmens drohend über dem Rest der Tür aufzuragen schien. Dadurch wirkte die Perspektive irgendwie komisch. Es war die Art Bild, das als normales Foto absolut stümperhaft gewesen wäre, das man aber akzeptieren konnte, wenn es ganz bewusst als Kunst gedacht war. Smitty drehte das Foto um. Auf der Rückseite stand in schwarzer Druckschrift: » W IR W OLLEN W AS I HR H ABT .« Es gab keine Unterschrift, und der Poststempel war nicht zu entziffern.
    »Hast du das hier gesehen, Oma?«, fragte Smitty.
    »Ich nehme jetzt wieder English Breakfast. Der ist ein bisschen stärker. Oh, das! Das ist eine von diesen Postkarten, die ich in letzter Zeit bekomme. Alle vierzehn Tage oder so ist eine in der Post, seit zwei Monaten. Alles Bilder vom Haus, mit denselben Worten auf der Rückseite. Ich habe jede einzelne aufgehoben. Sie sind alle da drüben, auf der Kommode.«
    Smitty ging zu der Kommode. Und in der Tat, neben den Fotos von seiner Oma und Albopa, seiner Mutter, ihm selbst, seinem Bruder und seiner Schwester in den verschiedensten Stadien ihrer Entwicklung lag ein Stapel von Postkarten, die alle Aufnahmen von Pepys Road 42 zeigten. Jedes Foto war anders. Eines der Bilder war eine extreme Nahaufnahme der Hausnummer, ein anderes war vom anderen Ende der Straße aus aufgenommen worden. Der Fotograf hatte so weit weg gestanden, dass man gerade eben noch die Hausnummer erkennen konnte. Ein anderes war aus Kopfhöhe fotografiert und direkt auf die Stufen vor der Haustür gerichtet. Wieder ein anderes war aus einem ähnlichen Winkelaufgenommen, aber diesmal zielte die Kamera seitwärts auf das Erkerfenster. Eine der Postkarten zeigte vier verschiedene Bilder gleichzeitig auf der Vorderseite, hineingezwängt in Quadranten. Unter den Postkarten lag ein Umschlag, der mit derselben Handschrift adressiert war. Smitty öffnete ihn und zog eine DVD heraus. Auf dem Etikett stand ebenfalls » W IR W OLLEN W AS I HR H ABT .«
    »Hast du dir das hier mal angeschaut, Oma?«, fragte er, kannte aber die Antwort schon im Voraus. Es war vollkommen sinnlos, Mrs Howe eine DVD zu schicken.
    »Nein, natürlich nicht, mein Liebling. Ich habe doch keins von diesen Dingern zum Abspielen.« Sie stellte die Tasse vor ihn auf den Tisch. »Ich finde immer, dass English Breakfast mit Milch besser schmeckt, aber ich habe auch ein paar Zitronenscheiben hier, wenn dir das lieber ist.«
    »Alles klar. Danke. Hör mal, Oma, kann ich mir das hier mal ausleihen? Hast du was dagegen, wenn ich die ganzen Karten hier mal mitnehme?«
    »Natürlich kannst du das, mein Schatz. Trink deinen Tee, er schmeckt längst nicht so gut, wenn er kalt ist.« Sie stellte einen Teller mit Plätzchen neben Smitty und packte die supernoblen Pralinen aus, um ihm direkt von dem anzubieten, was eigentlich als Geschenk für sie gedacht gewesen war.

14
    Familie Yount war übers Wochenende weggefahren. Es war zehn Tage vor Weihnachten und noch sieben Tage, bis Roger erfahren würde, wie sein Bonus aussah. Ihr Gastgeber war ein Bankkunde Rogers, ein Mann namens Eric Fletcher, der ein Haus in Norfolk hatte. Und in diesem Haus waren die Younts gerade.
    Eric hatte eine alte Scheune, die zum Haus gehörte, in einen Wellnessbereich für seine Frau Naima umgebaut – er witzelte gern, dass er den Umbau nur deshalb gemacht hatte, weil das die einzige Methode war, seine Frau aus London herauszubekommen. Gegenüber hatte er eine zweite Scheune gebaut, so dass das Haus nun auf beiden Seiten von Gebäuden eingerahmt

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