Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kapital: Roman (German Edition)

Kapital: Roman (German Edition)

Titel: Kapital: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchaster
Vom Netzwerk:
Sekunden ihre Haare zurück. Zbigniew hatte schon zweimal mit der Frau, die ihm direktgegenüberstand, Blickkontakt aufgenommen. Sie hatte blonde Strähnen in den Haaren. Gerade holte sie ein Päckchen Zigaretten aus ihrer Tasche und legte es auf den Kaminsims. Ihr Mantel sah teuer aus, und ihre Handtasche war der gegenwärtigen Mode entsprechend ziemlich groß. Ihre Freundin schien den Hauptteil des Gesprächs zu bestreiten. Die blonde Frau hatte etwas an sich, das Zbigniew gefiel. Vielleicht waren es die Zigaretten. Zigaretten an sich waren natürlich ekelhaft, sie stanken und waren ungesund und so weiter. Aber andererseits musste man zugeben, dass es etwas unglaublich Erotisches hatte, wenn eine Frau rauchte. Es verlieh ihr eine gewisse draufgängerische Sorglosigkeit, so als wäre ihr alles nicht so wichtig. Darüber hinaus machte die Blonde einen leicht unordentlichen Eindruck, denn der Mantel hing ihr ganz schief von den Schultern. Zbigniew machte mit seiner Flasche eine Handbewegung in Piotrs Richtung und trank sie dann aus. Piotr schaute zu den Frauen hinüber.
    »Zeit, unser Englisch zu verbessern«, sagte Zbigniew. Das war ein geflügeltes Wort zwischen ihnen. Jedermann wusste, dass eine englische Freundin die beste Methode war, um sein eigenes Englisch aufzupolieren. Es war nicht gerade einfach, sich eine solche Frau zu angeln, wurde aber wesentlich erleichtert, wenn man ein bisschen Geld hatte und selbst einigermaßen gut Englisch sprach – wodurch sich die Katze in den Schwanz biss. Zbigniew hatte das meiste seiner Englischkenntnisse von einem Mädchen namens Sam erworben. Er hatte sie kennengelernt, als er ihr auf der King’s Avenue während eines heftigen Regengusses geholfen hatte, einen Reifen zu wechseln. Sie waren sechs Monate miteinander ausgegangen, was für sein Englisch wahre Wunder gewirkt hatte. Sam hatte dabei ihren Freund betrogen, aber das schien ihr nichts auszumachen, also machte es auch Zbigniew nichts aus. Sie hatten sich erst eine Woche vor ihrer Hochzeit getrennt.
    »Ich fahre morgen nach Hause«, sagte Piotr.
    »Ich dachte, ich wäre hier derjenige, der immer nur praktisch denkt.«
    »Ja, aber ich fahre morgen nach Hause.«
    »Dann frag sie eben einfach nur nach ihrer Nummer. Du bist nur zwei Wochen weg. Das wäre dann etwas, worauf du dich freuen kannst, wenn du wieder hier bist.«
    »Ich habe dir doch gerade gesagt, mein Leben ist vorbei.«
    »Und trotzdem geht es weiter.«
    Piotr seufzte. »Okay. Also gut.«
    Zbigniew war ein zurückhaltender Mensch, aber er war ebenso wenig schüchtern wie sein Freund Piotr. Im nächsten Moment lehnte er sich zu der Handtaschen-Frau hinüber und sagte:
    »Es ist schrecklich, oder? Das Rauchverbot.«
    Sie lächelte, sah weg und sah ihn dann wieder an. Ihre Freundin drehte sich um, um auch zu schauen. Sie hatte sehr dunkle, fast schwarze Haare, und ihre Augen waren in einem dramatischen Rot geschminkt. Zbigniew fand ihre schnellen Bewegungen irritierend, aber sie war ohnehin nicht sein Typ. Die beiden Frauen sahen sich an, und es fand irgendeine wortlose weibliche Kommunikation zwischen ihnen statt. Dann drehten sie sich zu Zbigniew und Piotr um. Und so nahm das Ganze seinen Anfang.

18
    Patrick Kamo gefiel die Karte nicht, die am zweiten Morgen zwischen der Post gelegen hatte, die Karte mit einem Foto ihres Hauses und der Aufschrift » W IR W OLLEN W AS I HR H ABT .« Patrick fand sie unheimlich. Und er fand es beunruhigend, dass Mickey die Sache weder erklären konnte noch eine Ahnung hatte, was das Ganze bedeuten sollte. Freddy fand es hingegen absolut einleuchtend. Wer in aller Welt würde nicht wollen, was er hatte?
    Die ersten beiden Tage, die Freddy in London verbrachte, vergingen wie im Flug, angefüllt mit zahllosen Meetings, Tests und Untersuchungen. Die meiste Zeit nahm die ärztliche Untersuchung in Anspruch, die für seine Versicherung notwendig war. Das Zimmer in einer Privatklinik, in das man ihn zu diesem Zweck brachte, war der sauberste, hellste, weißeste Ort, den er je in seinem Leben gesehen hatte. Ein Team von drei Ärzten untersuchte ihn zügig und effizient, während sein Dolmetscher übersetzte. Sie wogen, piksten und durchleuchteten ihn, überprüften seine Zähne und Augen, schlugen mit einem Hämmerchen auf seine Knie, und nahmen seine Fingernägel, seine Zunge und sein Zahnfleisch unter die Lupe, bepflasterten seinen ganzen Körper mit Kabeln, schickten ihn auf ein Laufband und forderten ihn auf, Dehnübungen zu

Weitere Kostenlose Bücher