Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kapital: Roman (German Edition)

Kapital: Roman (German Edition)

Titel: Kapital: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchaster
Vom Netzwerk:
Freddy, als man ihn zusammen mit dem zwanzig Millionen Pfund teuren Mittelfeldspieler in den Kreis schickte und sie beide gemeinsam versuchten, an den Ball zu kommen. Das Spannende daran war einfach die Tatsache, dass er zu diesem weltberühmten Fußballspieler hinüberschauenkonnte, der ein wirklicher echter Mensch war, vollkommen real, und der genau dort vor seinen Augen stand. Und das würde von jetzt an Freddys Welt sein.
    Nach dem Spiel mit den zwei Leuten in der Mitte folgten anderthalb Stunden Fitnesstraining: ein Lauf zum Aufwärmen, dann Intervalltraining und am Ende Shuttle-Sprints. Freddy hatte in den letzten beiden Jahren strikt den professionellen Ernährungsplan eingehalten und das Fitnessprogramm befolgt, das der Club ihm geschickt hatte, also war das kein Problem für ihn. Er war daran gewöhnt, überall der schnellste Spieler zu sein, deswegen alarmierte es ihn, dass er hier nur zum Mittelfeld gehörte oder sogar ein wenig dahinter zurückfiel – aber er würde ja noch wachsen. Und Freddy wusste, dass einer der Eckpfeiler seines persönlichen Spiels darin bestand, dass er mit Ball genauso schnell laufen konnte wie ohne.
    Nachdem sie das Lauftraining abgeschlossen hatten, arbeiteten sie ein wenig an der Technik und spielten zum Schluss ein Spiel, dessen Name so seltsam war, dass Freddy den Dolmetscher dreimal bitten musste, es ihm zu übersetzen: cochon au milieu , sagte er immer wieder: Schwein in der Mitte. Es war ein bisschen wie Plumpsack, nur dass man es mit einem Ball spielte. Als die Reihe an ihn kam, lief auch Freddy im Kreis um die anderen herum und versuchte, sie mit dem Ball zu treffen. Und jeder stellte sich auch mal in die Mitte. Erwachsene Männer, die rannten, ausrutschten, sich duckten und lachten. Der älteste von ihnen war Anfang dreißig und machte ebenso begeistert mit wie der jüngste, Freddy selbst, der die ganze Zeit keuchen und gleichzeitig kichern musste. Und dann blies der Trainer in seine Pfeife, und das Training war vorbei. Die Spieler gingen in die Umkleidekabine, um dann zu ihren jeweiligen nachmittäglichen Beschäftigungen aufzubrechen: Sie fuhren shoppen, verzockten ihr Geld bei Glücksspielen, trafen sich mit ihren Agenten oder hatten Sex.

19
    Petunia wartete darauf, dass sie in das Behandlungszimmer des Arztes gerufen wurde. Obwohl es sich genau genommen nicht einfach nur um einen Arzt handelte, sondern um einen Spezialisten. Sie befand sich im achtzehnten Stockwerk in einem Krankenhaus im Südosten Londons, und bis jetzt war an diesem Tag mehr oder weniger alles schiefgelaufen. Die meiste Zeit fühlte sie sich schwach und schwindelig, und es kamen immer wieder neue schreckliche Symptome hinzu. Die Symptome waren deshalb schrecklich, weil sie so beunruhigend waren. Jetzt war auch noch ihre Sehkraft beeinträchtigt. Vor ihr linkes Auge hatte sich am äußeren Rand ein Schatten, eine Art verschwommener Fleck geschoben. Es war ein so komisches Gefühl, dass sie manchmal fast glaubte, sie bilde es sich nur ein. Aber meistens war sie sicher, dass der Fleck kein Hirngespinst war. Schon das Verlassen ihres Hauses war zu einer wahren Herausforderung geworden. Für den weiten Weg hierher hatte sie sich ein Taxi nehmen müssen. Das war etwas, das sie gar nicht gerne tat und worin sie sich mit Albert einig gewesen war. Er war in seinem Leben kein einziges Mal mit einem Taxi gefahren. Das Problem war, dass sie sich auch für den Heimweg ein Taxi nehmen musste. Zwar gab es ein gebührenfreies Telefon im Krankenhaus, von dem aus sie eines bestellen konnte, aber sie wusste genau, dass sie sich die ganze Zeit Sorgen machen würde, während sie auf den Wagen wartete. Sie würde sich fragen, ob jemand anderes ihr das Taxi weggeschnappt hatte, sie würde mühevoll einen Platz suchen müssen, wo sie sich hinsetzen konnte, und ständig würde sie Angst haben, sie könnte schon wieder einen dieser schrecklichen Anfälle bekommen.
    Sie hatte versucht, ganz stoisch zu bleiben, aber als sie am Krankenhausankam, war alles noch viel schlimmer, als sie es sich vorgestellt hatte. Über den Vorplatz des Hochhauses fegte der Wind mit einer geradezu orkanartigen Kraft und trieb den Regen fast waagerecht in das Gewirr aus Krankenwagen, Taxis, Patienten, Besuchern und Rollstühlen. Alle anderen schienen genau zu wissen, wo sie hingehen mussten und wie sie dorthin kamen, und waren ganz offensichtlich fest von ihrem Recht überzeugt, ihr Ziel auch so schnell wie möglich zu erreichen. Petunia war

Weitere Kostenlose Bücher