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Kapital: Roman (German Edition)

Kapital: Roman (German Edition)

Titel: Kapital: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchaster
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hinunterstürzen konnte. Während Roger mit seinem Sohn rang, fiel ihm etwas auf, das in diesem Moment nicht gerade hilfreich war: Die Farbe der Spiralen aus frischer Scheiße, die auf dem Teppich waren, hatte genau die gleiche Schattierung wie ein perfekt zubereiteter Cappuccino. Dann kackte Joshua wieder, diesmal quer über den Ärmel von Rogers Bademantel. Das Zeug war heiß und flüssig und stank fürchterlich. Im selben Moment klingelte es an der Haustür.
    »Verfickte Scheiße!«, sagte Roger mit unterdrückter Stimme, aber er hatte seine Stimme nicht genug unterdrückt, denn Joshua, der jetzt, wo er sich erleichtert hatte, glücklich lächelte, plapperte es ihm nach: »Verfickte Scheiße!« Roger entschied, dass wer auch immer sich da gerade vor der Tür befand, zum Teufel gehen konnte. Er trug Joshua zurück ins Bad und stellte ihn aufrecht ins Waschbecken. Währenddessen warf er den Bademantel ab und nahm sich gleichzeitig vor, das Ding sofort in den Müll zu schmeißen. Dann ließ er das Wasser laufen und wusch Joshua, der von der Hüfte aufwärts sauber, aber darunter zu siebzig Prozent mit Scheiße bedeckt war. Während er damit beschäftigt war, klingelte es noch zwei weitere Male an der Tür, jedes Mal ein bisschen länger. Roger stellte Joshua auf die Füße und schaute in den Schrank unterm Waschbecken, in dem sich sieben oder acht verschiedene Reinigungsmittel befanden. Keines davon schien sich jedoch dazu zu eignen, Scheiße aus einem Teppich zu entfernen. Es gab etwas, das sich Teppich-Shampoo nannte, das wusste er genau. So etwas brauchte er jetzt. Aber nichts von dem Zeug hier sah auch nur im Entferntesten so aus wie Teppich-Shampoo. Während Roger sich die verschiedenen Sprühdosen anschaute, griff Joshua nach demBleichmittel und versuchte, den Deckel abzuschrauben. Als sein Vater ihm die Flasche wegnahm, stürzte er sich auf den Lufterfrischer, schlug den Deckel herunter, bevor Roger reagieren konnte, sprühte sich das Zeug aus nächster Nähe ins Gesicht und brach sofort wieder in Tränen aus. Dann klingelte es zum fünften Mal an der Tür. Wer klingelte am Weihnachtsmorgen an der Haustür, verdammt noch mal? Roger zog seinen Bademantel wieder an, wobei er es tunlichst vermied, die Kackstreifen am linken Ärmel zu berühren, griff sich seinen nackten Sohn und ging nach unten, um die Tür zu öffnen.
    Vor ihm standen drei massige Gestalten, die alle mindestens so groß waren wie er selbst, mit einem gigantischen Paket, das in Pappe eingewickelt war.
    »Frohe Weihnachten«, sagte der größte der Männer mit einem südafrikanischen Akzent. »Wir haben eine Lieferung für Mrs Yount.« Er senkte seine Stimme zu einem leisen Flüstern. »Es ist das Sofa.«
    »Verfickte Scheiße!«, sagte Joshua.

28
    Wäre sie gefragt worden, dann hätte Arabella behauptet, dass sie über Weihnachten unglaublich viel Spaß gehabt habe, dass es nie schöner gewesen sei und dass sie kein Weihnachtsfest mehr genossen hätte als dieses. Das versicherten sich jedenfalls Saskia und Arabella gegenseitig, wenn sie sich nach den Kurbehandlungen im Ruheraum wiedertrafen, Seite an Seite auf dem Laufband schwitzten oder ihren exklusiven Luxus-Lunch einnahmen (Maguro-Thunfisch-Sushi, Carpaccio vom Seeteufel mit Prosciutto, Earl-Grey-Sorbet und ein Glas Krug-Champagner, um das Ganze hinunterzuspülen). Das sagte sich auch Arabella selbst, mehr als einmal, als sie am Weihnachtsmorgen aufwachte und ihren ersten Schluck Sekt am Frühstückstisch trank, oder als sie mit Saskia zusammen die Geschenke auspackte, die sie sich gegenseitig gekauft hatten (ein MacBook für Saskia, die jetzt endlich, definitiv dieses Drehbuch in den Griff bekommen würde, und ein entzückender indischer Halsschmuck für Arabella). Und sie sagte es sich immer dann, wenn sie von einem Schwall von Gefühlen erfasst wurde, die sie nicht recht benennen konnte.
    Es waren nicht etwa Zweifel, dass sie das Richtige tat. Sie wusste genau, dass es richtig war: Die Gründe, aus denen sie gehandelt hatte, waren absolut unanfechtbar. Roger würde aus dieser Erfahrung ohne jeden Zweifel als besserer, aufmerksamerer Vater und Ehemann hervorgehen, und das würde jedem Mitglied der Familie Yount nur guttun.
    Trotzdem gab es Augenblicke, in denen sie ins Schlingern geriet. In solchen Augenblicken schien es, als sei der Boden unter ihren Füßen nicht ganz fest. Das dauerte nie lange und passierte auch nur dann, wenn sie an Joshua und Conrad dachte und sich fragte, ob ihre

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