Kapital: Roman (German Edition)
dann erwarte ich ein paar Veränderungen in deiner Einstellung und in deinem Verhalten. Dann ist Schluss damit, dass du nach Hause kommst und so tust, als wärst du derjenige, der es am schwersten hat. Willkommen in meinem Leben. Und wenn ich je noch mal auch nur das geringste Anzeichen von diesem »Ich bin aber müder als du«-Scheiß sehe, dann gehe ich für immer – oder genauer gesagt, dann wirst du gehen. Und dreimal darfst du raten, wer dann das Haus und die Kinder bekommt.
Fick dich ins Knie.
Arabella
27
Es entspräche nicht den Tatsachen, würde man behaupten, dass Roger das Ganze mit Humor nahm oder in der Lage war, es in einen größeren Zusammenhang zu stellen. Dennoch gab es ein oder zwei Momente am Weihnachtsmorgen, die ihn daran erinnerten, dass die Dinge nicht immer so gewesen waren wie jetzt. So zum Beispiel, als er um Viertel vor sieben auf dem Wohnzimmerteppich saß und versuchte, einen Plastikroboter zusammenzusetzen. Der Roboter konnte sich sowohl in ein Auto als auch in eine Pistole verwandeln, gab durch einen kleinen Lautsprecher ein paar Sätze von sich und hatte sogar eine Fernbedienung. Das Problem war nur, dass es sich dabei um ein wahnsinnig kompliziertes Spielzeug handelte. Der Roboter bestand nicht nur aus Hunderten von Einzelteilen, sondern war darüber hinaus auch noch mit einer Gebrauchsanweisung geliefert worden, die man ganz offensichtlich mit der Absicht verfasst hatte, den Leser so sehr wie möglich zu irritieren und zu verwirren. Der Boden um Roger herum war mit Babylegosteinen aus mehreren verschiedenen Bausätzen gepflastert, die Conrad aufgerissen und dann durchs Zimmer geschleudert hatte, während Roger ihm gerade den Rücken zukehrte. Joshua hatte das gigantische Brio-Set, das sie ihm geschenkt hatten, komplett ausgeschüttet, so dass nun der Boden mit Holzschienen, Holzlokomotiven, Plastikfolie, Geschenkpapier, zerrissenen Verpackungen und verschiedenem anderen Spielzeug übersät war, das die Kinder kurz ausprobiert, dann aber gelangweilt auf die Erde geworfen hatten. Conrad hatte bereits eines seiner Hauptgeschenke zerstört, ein Rennauto mit grünen Streifen und einem Fahrer, der eigentlich einen Klingelton von sich geben sollte, wenn man auf seinen Kopf drückte, der aber nun so tief in das Auto hineingepresst worden war, dass er wie ein kaputterWecker gar nicht mehr mit dem Klingeln aufhören wollte. Roger hatte weder einen Abschaltknopf noch ein Batteriefach finden können, also hatte er das Spielzeug kurzerhand mit einem Hammer zertrümmert. Conrad schniefte deswegen immer noch vor sich hin, während er mit einem seiner neuen Lichtschwerter herumfuchtelte.
Nein, Roger hatte die Sache nicht mit Humor genommen. Aber es hatte einen Moment gegeben, als er auf seine Uhr geschaut und gedacht hatte: Ich kann mich an eine Zeit erinnern, als der Weihnachtsmorgen um halb elf mit einem Glas Sekt Orange im Bett begann. Jetzt fängt er um halb sechs an, mit einem Test in Feinmotorik und Koreanisch.
Aber Roger hatte durchaus nicht einfach nur klein beigegeben. Gestern Abend, sofort nachdem er Arabellas Brief gelesen hatte, hatte er den wild protestierenden Conrad ins Bett verfrachtet und auf Google nach Kindermädchen-Agenturen geforscht (wobei er nichts unversucht gelassen und solche Sachen wie »Notfall-Nannys«, »Last-Minute-Babysitter« und »Kindermädchen für Krisenfälle« eingegeben hatte). Er hatte auf die Anrufbeantworter von sieben Agenturen gesprochen und war fest entschlossen, die erste Person einzustellen, die verfügbar war. Hilfe war also in Sicht. Aber die Tatsache, dass Hilfe in Sicht war, half nicht wirklich, jedenfalls nicht hier und jetzt, während seine Frau irgendwo in der Weltgeschichte herumreiste und seine Eltern erstens auf Mallorca und zweitens vollkommen unbrauchbar waren.
Nachdem er die letzte Nachricht auf das Band einer der Kindermädchen-Agenturen gesprochen hatte, war er noch lange mit dem Telefon in der Hand sitzen geblieben. Die Frage war, was er auf Arabellas Mailbox sprechen sollte. Er kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie nicht ans Telefon gehen würde und es wahrscheinlich nicht einmal eingeschaltet hatte, aber er wusste auch, dass sie ihre Nachrichten abhören würde, weil sie unbedingt wissen wollte, wie ihr Plan funktioniert hatte. Sein erster Impuls war, sie anzurufen und übelst zu beschimpfen, sie zu fragen, was siesich einbildete, und ihr zu sagen, was für eine faule Sau sie war, dass sie nicht den geringsten Schimmer
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