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Kapital: Roman (German Edition)

Kapital: Roman (German Edition)

Titel: Kapital: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchaster
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einzige winzige Scheibe Weißbrot ohne Kruste mit einem dünnen Belag cremiger Erdnussbutter zu essen. Diesem Erfolg waren jedoch drei misslungene Versuche vorausgegangen: Die erste Scheibe war zu dick gewesen, die zweite durch körnige Erdnussbutter entweiht worden, und auf der dritten Scheibe war viel zu viel Erdnussbutter gewesen. Und dabei war es absolut nicht erlaubt, die Butter einfach nur abzukratzen und dieselbe Scheibe mit einem dünneren Belag zu servieren. Joshuas Wutanfall hatte durchaus etwas Beeindruckendes. Die Art, wie er mit seinem Plastikteller auf den Tisch einhieb und »Nein! Nein, Papa, nein!« schrie, und die unpersönlicheSchärfe seiner Wut machten deutlich, dass es hier um eine Frage des Standards ging. Ein Erdnussbutterbelag, von dem man nur oben ein wenig heruntergekratzt hatte, war eben nicht dasselbe wie ein ganz frischer Erdnussbutterbelag.
    Zum Abendessen gab es genau das Gleiche. Das lag zu zwei Dritteln an Rogers Faulheit beziehungsweise seiner Erschöpfung, und zu einem Drittel war es simple Zweckmäßigkeit, denn es gab nicht viel, was sie sonst hätten kochen können. Den meisten Platz im Kühlschrank nahm eine Gans ein, die Arabella gekauft hatte, damit »wir sie am ersten Weihnachtsfeiertag essen können«, und die Heiligabend geliefert worden war. Zu dem Zeitpunkt, als sie diese Bestellung aufgegeben hatte, war ihr Plan ganz offensichtlich schon längst ausgefeilt gewesen, so dass diese ganze Sache mit der Gans einzig und allein dem Zweck dienen sollte, ihren Mann erst an der Nase herumzuführen und sich dann noch über ihn lustig zu machen. Nicht genug, dass seine Frau ihn über Weihnachten im Stich gelassen hatte, nun war auch noch der riesige amerikanische Kühlschrank, der so groß war, dass man sich fast hineinstellen konnte, zu zwei Dritteln mit einer Gans vollgestopft. Und obendrein hasste Roger nichts mehr als Gans, wie Arabella sehr wohl wusste. Der erste Gang seines Weihnachtsessens bestand also aus den Eiern und der Erdnussbutter, die die Jungs übrig gelassen hatten, gefolgt von einem Käsesandwich, gefolgt von zwei Tüten Chips. Das Ganze spülte er mit einer Flasche Veuve Clicquot La Grande Dame 1990 hinunter, die eigentlich als Aperitif vor dem festlichen Mittagsmahl gedacht gewesen war. Auch das stellte sich als böser Fehler heraus, denn es bedeutete, dass er die restlichen Stunden des Tages im halbalkoholisierten Zustand bewältigen musste. Roger hatte keine Zweifel: Dieser erste Weihnachtsfeiertag allein mit seinen Kindern war eindeutig der längste, schwierigste und langweiligste Tag seines Lebens gewesen. Das einzig Gute, das man über ihn sagen konnte, war, dass die Kinder nur ein- oder zweimal nach Arabella gefragt hatten. Es war fast so, als hätten sie in dem allgemeinen Weihnachtschaoskaum mitgekriegt, dass sie gar nicht da war. Ha! Roger freute sich wahnsinnig darauf, ihr das zu erzählen.
    Der zweite Weihnachtsfeiertag war ein wenig besser. Der erste Pluspunkt war schon mal, dass der Tag um einiges später anfing: Josh kam erst um sieben die Treppe heruntergepoltert. Roger war schon aufgewacht, bevor Josh ins Zimmer kam, und fühlte sich, als hätte er eigentlich gar nicht richtig geschlafen, aber trotzdem, sieben war besser als sechs. Und was noch besser war: Anstatt sofort irgendwelche Forderungen oder Beschwerden loszulassen, legte sich Josh zu Roger ins Bett und kuschelte sich ganze fünfzehn Minuten an ihn. Das war ein gutes Gefühl: Es war schon lange her, dass Roger das letzte Mal ganz still dagelegen und diese erstaunliche Kompaktheit und Wärme gespürt hatte, die der kleine Körper seines Sohnes ausstrahlte. Dann aber fing Joshua an, ihm den Finger in die Seite zu piksen und »Fistick, Fistick« zu sagen, was bedeuten sollte, dass es nun an der Zeit war, zu frühstücken. Also gingen sie nach unten, damit Josh Schokoflocken essen und sich schon mal ein wenig vor den Fernseher setzen konnte.
    Die Moderatoren der Kindersendung machten noch immer den Eindruck, als hätten sie sich mit einer Ladung Kokain das Gehirn weggepustet. Roger beneidete sie. Ungefähr um acht kam auch Conrad nach unten, und schon war der zweite Tag, an dem er allein für die Kinder verantwortlich war, in vollem Gange. Sie gingen zu Starbucks, um einen Triple Shot Espresso (Roger), einen Java Chip Chocolate Cream Frappuccino (Conrad) und einen Steamed Milk Babyccino (Joshua) zu trinken. Conrad schaffte es, den Feuerlöscher neben der Behindertentoilette von der Wand zu

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