Kaputt in El Paso
Kopfschmerzen.
Ich schlief wieder ein, und als ich aufwachte, war es dunkel. Ich hörte, wie ein Auto im niedrigen Gang auf das Haus zufuhr. Das Geräusch sagte mir, dass es sich nicht um den Suburban handelte, eher um einen Pick-up, und zwar um ein älteres Modell. Es wurden beide Türen zugeschlagen, aber nur ein Mann betrat das Haus. Es war nicht Rigoberto. Dieser Kerl hier war doppelt so groß wie er. Er zündete eine Kerze an und stellte sie auf den Tisch. Tisch und zwei Stühle waren neben dem Feldbett, auf das man mich geworfen hatte, das einzige Mobiliar.
Es roch nach Essen. Der große Kerl ging hinaus, kam wieder herein – er wog mindestens hundertdreißig Kilo, bewegte sich aber lautlos wie eine Katze. »Algo a comer«, sagte er mit tiefer, rauer Stimme, als wären seine Stimmbänder aus Schuhleder. »Es gibt was zu essen«, übersetzte er. Er stellte eine Box aus Styropor auf den Tisch.
»Gracias«, sagte ich. »Me gusta la comida Mexicana.«
Das brachte ihn zum Lachen. »Gut so«, sagte er, »hier in der Gegend gibt’s nämlich nicht viele Burger Kings.«
Er kam mir recht freundlich vor. »In welcher Gegend?«, fragte ich.
Darauf erwiderte er nichts. Er ging wieder hinaus – diese Masse Mensch glitt auf erstaunlich leisen Sohlen davon. Der Pick-up wurde angelassen und fuhr vom Hof. Diesmal hatte ich nur eine Tür zuschlagen hören, der zweite Mann musste also noch hier sein.
Ich kroch zum Tisch hinüber, zog mich hoch auf den Stuhl und öffnete die Box. Drei Tacos, gebackene Bohnen, Reis, ein Schälchen mit Pico de Gallo, neben der Box stand außerdem eine recht kalte Flasche Negra Modelo. Ich drehte den Verschluss ab und nahm einen großen Schluck, leerte die halbe Flasche. Entweder wollten sie mich töten und waren nett zu dem Verurteilten oder sie waren einfach nur nett. Ich entschied mich für Letzteres. Mein Hunger war derart gigantisch, ich hätte eine Menudo verdrückt, die aus den Eingeweiden eines auf der Straße überfahrenen Nagetiers hergestellt worden war. Die schmalzgetränkten Tortillas und Bohnen waren Manna für mich. Ich stopfte alles gierig in mich hinein, ungeachtet meiner schmerzenden Zunge und der lockeren Zähne.
Als ich aufwachte, fühlte ich mich steif und fröstelte. Ich warf mir die Armeedecke um und kroch zum Fenster. Die Sonne war aufgegangen, der Himmel leuchtete klar und blau. Der Sandsturm als Vorhut einer Kaltwetterfront hatte sich selbst ausgeblasen. Eine Indianerin kam herein und brachte mir Frühstück. Tortillas, Menudo, Kaffee. Ich bedankte mich, doch mit Freundlichkeit konnte ich bei ihr offensichtlich nicht punkten; sie nahm nicht einmal Blickkontakt mit mir auf. Die Tortillas waren noch warm, die Menudo schmeckte scheußlich, zumindest war der Kaffee im Styroporbecher heiß. Ich aß mit großem Appetit und verschwendete keinen Gedanken daran, was diese Art Essen auf die Dauer mit meinen Arterien anstellen würde. »Gracias, señora«, sagte ich noch einmal, doch sie würdigte mich weiterhin keines Blickes.
Schlafen und Essen hatten mir Kraft gegeben, also versuchte ich mich ein weiteres Mal an der Kette. Aber sie rückte und rührte sich nicht. Ich nahm sie genauer unter die Lupe; sie war ein wenig verrostet, aber völlig intakt. Das Fußeisen um meinen Knöchel saß bombenfest und konnte nur mit einem Schlüssel geöffnet werden.
Ich überdachte meine Situation. Es ergab alles keinen Sinn. Ich konnte wohl kaum für jemanden von so großer Bedeutung sein, dass er meinetwegen diesen Aufwand betrieb. Hier war ich nun, gefangen genommen – und warum? Weil ich Schecks nicht eingereicht hatte.
Finde es selbst raus, hatte Forbes gesagt.
Ich streckte mich auf der Matratze aus und deckte mich mit der Decke zu. Sicherlich hat mir die Indianerin nicht in die Augen sehen können, weil sie abergläubisch ist, dachte ich. Es war gefährlich, einem Todgeweihten in die Augen zu schauen; womöglich nahm er auf seinem Weg in die Hölle etwas von einem mit. Vielleicht war ihr der Anblick eines hünenhaften Gringos in Unterhosen auch nur peinlich.
Ich kämpfte vergeblich darum, einschlafen zu können. Als ich resignierte, schlief ich ein.
Es war dunkel, als ich wieder wach wurde. Mit mir war noch jemand im Raum. Auf dem Tisch flackerte eine Kerze und warf verzerrt tanzende Schatten an die Wand. Es roch nach warmen Tortillas und Bohnen.
»Komm her, mein Hübscher«, sagte Clara Howler. »Hier gibt’s was zu futtern.«
Ich zog die Kette hinter mir her und setzte
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