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Kaputt in El Paso

Kaputt in El Paso

Titel: Kaputt in El Paso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick DeMarinis , Frank Nowatzki , Angelika Müller
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Hälfte richtig. Ich habe deine kleine Freundin gefickt.«
    »Welche kleine Freundin?«
    »Die zwischen dir und dem Grab steht.«
    Ich verfolgte, wie Clara in ihre Laufschuhe schlüpfte, noch ein Löffelchen Koks nahm und hatte keine Ahnung, wovon sie sprach.
    »Renseller«, sagte sie. »Jilly Renseller. Ab und an hab ich’s ihr anständig besorgt. Sie ist eine ruca loca en la cama. Bei mir ist sie mehrmals hintereinander gekommen. Frauen machen es Frauen eben besser als Männer.«
    Sie hielt mir den Revolver an die Kehle, während sie mir die Handschellen abnahm. »Bin ich zu brutal, Walkinghorse? Hab ich dir einen kleinen susto eingejagt? Vielleicht hast du genau das gebraucht. Ich liebe sie, verstehst du. Sie gehört mir, du Scheißkerl. Bin ich eifersüchtig, bin ich nachtragend? Ein bisschen, ja. Auf jeden Fall ist ein anständiger Schrecken ein prima Abführmittel. Treibt den ganzen Mist raus. Fühlst du dich nicht gleich viel klarer im Kopf? So ein Schrecken lenkt den Blick wieder auf das Wesentliche. Und er bereitet einen auf künftige sustos vor.«
    »Du bist total durchgeknallt«, sagte ich.
    »Gesteh es dir doch ein, da war ein kleiner Nervenkitzel, oder? Muss dir überhaupt nicht peinlich sein. Hat nicht jeder tief in seinem Herzen einen Hang zur Perversion, was meinst du?«
    Ich dachte an Clive, ich dachte an die Farnsworths. Ich stellte mir Jillian und Clara Howler im Bett vor. Bei diesem Gedanken fing es an, in meinen Schläfen zu pochen.
    »Was hast du gemeint mit Jillian steht zwischen mir und dem Grab?«
    »Du blickst absolut nicht durch, oder?«
    »Momentan nur eingeschränkt.«
    »Du bist ein naiver Typ, Walkinghorse. Im Grunde mag ich das an einem Mann, vorausgesetzt, er ist nicht dumm. Naivität gepaart mit Dummheit ist unerträglich.« Sie nahm die Kerze und ging damit durch den Raum. »Ist dir das Bild aufgefallen?«, fragte sie.
    Sie hielt die Flamme unter ein miserabel gemaltes Porträt eines Mannes mit vollem schwarzem Haar. Es hing an der Wand gegenüber dem Tisch, aber ich hatte ihm bisher keine Beachtung geschenkt. Es war nicht unbedingt das, was großes Interesse hervorruft.
    »Das ist der Schutzpatron der Drogenhändler, Jesús Malverde. Vor hundert Jahren hat er Marihuana und Kokain von Sinaloa in die Staaten gebracht. Es ist ein sehr altes, fest etabliertes Gewerbe. Man nimmt das hier sehr ernst.«
    »Ein Schutzpatron?«, fragte ich.
    »Für die Einwohner von Sinaloa genauso bedeutend wie Patrick für die Iren. Er war eine Art Robin Hood, der seine Beute mit den Armen geteilt hat. In Sinaloa waren schon immer alle arm wie Kirchenmäuse.«
    »Ich werde ihn in mein Nachtgebet einschließen«, sagte ich.
    »Spiel ruhig den Klugscheißer, das bringt dich en ninguna porte – nirgendwohin. War nett, mit dir zu ficken. Ich hoffe, sie ändern ihre Meinung. Aber das ist eher unwahrscheinlich. Ich befürchte fast, du brauchst un milagro. Bete zu Jesús Malverde, vielleicht geschieht ja eins. Adios, Tiger.«
    »Gib mir bitte noch mal die Flasche, bevor du gehst«, bat ich.
    Sie reichte mir den Flachmann, er war immer noch halb voll. Ich prostete dem Schutzpatron der Drogenhändler zu. Seine sanften schwarzen Augen sahen mich an. Tote haben kein Problem damit, in die Augen eines anderen Toten zu blicken. Ich sah zuerst weg. Dann leerte ich die Flasche.

Siebzehn
    Das milagro – das Wunder, um das ich Malverde nicht angefleht hatte, das sich aber dennoch ereignete – hieß Schlaf. Ein langer, traumloser Tequilaschlaf. Das Getöse von Rasenmähern beendete ihn.
    Dieses befremdliche Getöse brachte mich völlig durcheinander – ich wusste nicht mehr, wo ich war. Ich sah weitläufige, gut bewässerte Rasenflächen vor mir, saftige, grüne Landschaften. Ich fand mich an allen Orten wieder, an denen ich die letzten zwanzig Jahre meines Lebens verbracht hatte: angemietete Häuser, die Apartments, die Gert und ich gemeinsam bewohnt hatten, die Eigentumswohnung in Scottsdale, die ich für einen Freund gehütet hatte, und mein kleines Zimmer im Baron Arms, doch nichts passte zu den kahlen, weiß getünchten Wänden, die mich umgaben. Genauso wenig passte ein Rasenmäher dieser Lautstärke dazu. Die Kette an meinem Bein brachte mein blockiertes Kurzzeitgedächtnis wieder in Schwung.
    Ich kroch zum Fenster. Keine Rasenmäher. Eine zweimotorige Cessna rollte auf die Anlage zu. Sie war außerhalb des Innenhofes gelandet und kam jetzt am offenen Ende des Hufeisens zum Stehen. Ich begriff, dass der

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