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Kaputt in El Paso

Kaputt in El Paso

Titel: Kaputt in El Paso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick DeMarinis , Frank Nowatzki , Angelika Müller
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elektrisiert durch eine bahnbrechende Idee, so, als bereite er den nächsten Blitzkrieg in Polen vor.
    Ich ging den Dschungel bis zum Ende durch, wo er in einem T mündete. Rechts und links waren großzügige Zimmerfluchten – die Büros der Chefetage der Cibola Savings and Loan. Meine Wahl fiel auf die Tür links von mir, auf der in Lettern aus Blattgold Branch President stand.
    Ich trat ein ohne anzuklopfen.
    In meiner Verkleidung mit Sonnenbrille, Bart und Anzug erkannte mich Clara Howler nicht sofort. Doch als sie es tat, sprang sie wie von der Tarantel gestochen aus ihrem Sessel. Ich nutzte diesen Moment der Überraschung, ging auf sie zu und versetzte ihr einen kräftigen Schlag, platzierte ihn unterhalb des Herzens, knapp unter den Rippen. Immerhin war sie noch in der Lage, mit einem Tritt auf meinen Kopf zu zielen. Doch die Aktion verpuffte, es war mehr Bewegung als Attacke. Ich fing den Fuß mitten in seiner Bahn ab und Clara verlor das Gleichgewicht, ging zu Boden und schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trocknen.
    Trotz allem, was sie mir angetan hatte, beschlich mich jetzt ein Gefühl der Verlegenheit. Clara trug Rock, Bluse und Sandaletten mit hohen Absätzen. Ihr Haar war etwas nachgewachsen und sie war geschminkt, trug sogar Ohrringe, Saphire in Tropfenform. Sie wirkte weiblich, wenn nicht sogar hübsch und machte alles andere als einen gefährlichen Eindruck. Nur wusste ich es besser. Auch eine Korallenschlange sieht ungefährlich aus. Das Gefühl von Verlegenheit verflüchtigte sich.
    Es war ein großes Büro mit Glastüren, die auf eine breite Dachterrasse hinausgingen. Eine Ecke des Büros war zu einem Mini-Gym umgebaut worden. Bei meinem Eintritt hatte Lenny Trebeaux gerade einen Speed-Bag bearbeitet. Lenny trug Trainingsklamotten und wattierte Boxhandschuhe. Sein Anzug hing hinter dem Speed-Bag auf einem Herrendiener. Obwohl Lenny längst aufgehört hatte, auf den Speed-Bag einzuprügeln, rotierte dieser immer noch. Die Fäuste erhoben, kam Lenny auf mich zugetänzelt. »Im College habe ich geboxt«, sagte er.
    »Dann wissen Sie sicherlich noch, wie es sich anfühlt, wenn man zu Boden geht«, gab ich zurück. Er lachte.
    »Ist doch alles nur Show bei euch Muskeltypen«, sagte er, »nett anzusehen, aber weder schnelle Hände noch Finesse. Im Ring seid ihr leicht umzuhauen.«
    »Wir sind nicht im Ring«, sagte ich.
    Sein Grinsen war zuversichtlich. Er rückte mir auf die Pelle und landete ein halbes Dutzend Jabs und einen zarten Haken, duckte sich geschickt ab, pendelte, demonstrierte seine Ringerfahrung und bearbeitete mich mit weiteren Bilderbuch-Jabs, täuschte eine Rechte an und schlug einen farblosen Haken mit links.
    »Jetzt zeig mir den Ali-Shuffle«, sagte ich.
    Er schlug einen wilden Heumacher mit rechts. Ich fing die Faust ab, riss den Arm nach unten, drehte ihn nach hinten, riss ihn hinter Lennys Rücken wieder hoch, bis der Ellbogen knackte. Lenny schrie kurz auf und wurde ohnmächtig.
    »Wie zum Teufel konntest du aus Samalayuca verschwinden?«, flüsterte Clara. Sie hatte offensichtlich immer noch Mühe, richtig durchzuatmen.
    Ich benutzte die Schnürsenkel von Lennys Boxstiefeln, um Clara die Hände auf den Rücken zu binden. Ihre Knöchel fesselte ich mit den Schnürsenkeln seiner Straßenschuhe. Dann hob ich Clara hoch und setzte sie wieder in ihren Sessel. Sie atmete jetzt stoßweise und spuckte etwas Blut.
    »Du meinst, wie ich wiederauferstanden bin? Ich könnte ein Geist sein, Clara.«
    »Keine Ahnung, wie du es geschafft hast, von dort abzuhauen«, sagte sie, »aber es ist ziemlich dumm von dir, hier aufzutauchen. Was willst du?«
    »Was sollte ein Geist schon wollen? Den Lebenden erscheinen, sie verfolgen. Ich will, dass ihnen das Blut in den Adern gefriert.«
    Ich durchsuchte Lennys Schreibtisch. Neben den üblichen Schreibutensilien fand ich eine halbautomatische Beretta Kaliber 40, ein Mobiltelefon und einen Palm Pilot. Ich stecke die Waffe in meine Jackentasche.
    »Hättest du auch nur einen Funken Verstand, wärst du irgendwo in Mexiko untergetaucht«, sagte Clara.
    »Ich hab genug Verstand, um überall unterzutauchen«, sagte ich.
    »Was auch immer das heißen soll«, meldete sich Trebeaux zu Wort. Er war wieder bei Bewusstsein, doch sein Gesicht war weißer als der Himmel, der auf das Glasdach drückte. Im Gegensatz dazu gab er mit seiner Haltung zu verstehen, dass er glaube, seine Überlegenheit wiedergewonnen zu haben, eine Pose, auf die er sich wohl

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