Karibik all inclusive: Ein Mira-Valensky-Krimi
zwei alternde Amerikaner beim Liebesspiel überrasche?
Dabei bin ich nicht betrunken, sicher nicht. Für elf ist eine Inselrundfahrt mit der Scenic Railway angesagt,
scenic
, was heißt das? Eine zynische Eisenbahn, ich kichere, nicht zynisch, sondern
scenic
, landschaftlich schön oder so … Mira. Der Rezeptionist. Ich versuche ein möglichst selbstbewusstes Lächeln, schließlich hat der attraktive Schwarze ja keine Ahnung, dass ich für meine Suite bloß mit einem Gefälligkeitsartikel zahle, und sage: „Ich weiß nicht, wie mir das passieren kann, aber mir fällt meine Zimmernummer nicht mehr ein. Mein Name ist Mira Valensky. Zweiter Stock.“
Einen Moment lang runzelt er die Stirn. „Eigentlich müsste ich von Ihnen einen Ausweis verlangen, Sie verstehen: Ich kenne Sie nicht.“
Ich krame in meiner Handtasche nach dem Führerschein. Das Bild darauf sieht mir überhaupt nicht ähnlich – hoffe ich. Es ist schrecklich. Er wird mich nun noch eher für eine Einschleichdiebin halten. Er betrachtet das Dokument und nickt.
„Zimmer 214.“
Also doch.
„Kann ich etwas für Sie tun?“
„Ja, bringen Sie mich aufs Zimmer“, hätte ich gerne gesagt. Aber natürlich bedanke ich mich bloß höflich und stelze Richtung Lift davon.
„Falsche Seite“, ruft er mir nach, und dann ist er auch schon neben mir und geleitet mich tatsächlich. Ich linse auf das Metallschild an seiner Brust: „Thomas Carlyle“.
Von dem hat mir doch schon jemand erzählt. Olympiadritter. Aber das muss auch schon eine Zeit lang her sein. Ich will ihm eine Freude machen. „Carlyle … Sie waren ein toller Läufer.“
Er strahlt tatsächlich auf. „Vor mehr als zehn Jahren. Sie interessieren sich für Laufsport?“
Nicht im Geringsten. „Ja, natürlich. Sie waren Dritter bei den Olympischen Spielen, aber das hat mir jemand auf der Insel erzählt.“ Besser, es zuzugeben, bevor er noch glaubt mich in ein Fachgespräch verwickeln zu können.
Er lächelt beinahe verlegen. „Auf der Insel bin ich für manche noch immer etwas Besonderes. Na ja, war damals auch eine tolle Zeit. Die Amerikaner wollten mich einbürgern, ich hab ohnehin in den Staaten studiert, aber ich wollte für meine Insel starten. Es gibt sogar eine Straße hier, die nach mir heißt. Sie ist allerdings nicht besonders lang.“
„Und jetzt sind Sie Empfangschef?“
„Nur einer der Rezeptionisten. Bei uns gibt es genug Leute mit guter Ausbildung. Ich bin froh über den Job. Ich will in meinem Land leben. Amerika ist auf die Dauer nichts für mich. Und: Wer weiß, man kann ja auch aufsteigen.“
Er nimmt mir den Schlüssel aus der Hand, sperrt auf, wartet fürsorglich, bis ich drinnen bin. „Schlafen Sie gut. Danke.“
„Danke“, sage auch ich und dann kann ich mich nicht mehr an viel erinnern.
Am nächsten Tag frühstücke ich nur etwas später, als allgemein üblich, doch außer einem jüngeren Paar sitzt niemand mehr auf der Terrasse. Offenbar sind doch nicht alle Gäste zwischen sechzig und scheintot. Die beiden sind leger in Shorts und Hemd gekleidet, man merkt den Preis, das ist keine Ausverkaufsware vom Supermarkt nebenan.
Carlyle sehe ich nicht an der Rezeption, seine Schicht ist offenbar vorbei, hoffentlich habe ich nicht allzu betrunken gewirkt. Erstaunlicherweise ist mein Kopf klar. Noch eine klitzekleine Portion Baked Beans. Denen kann ich einfach nicht widerstehen, vor allem wenn man sie mit einem Tropfen Hot Sauce nachwürzt. Tagsüber werde ich nichts essen. Urlaubsgefühl stellt sich ein.
Ich werde meine E-Mails checken und danach schwimmen gehen. Und endlich den neuen Krimi von Shulamit Lapid lesen. Wenn Vesna Lust hat, kann sie mir ja Gesellschaft leisten.
Das Public Office des Hotels ist gratis zu benutzen, teilt man mir mit. Ich finde es im ersten Stock neben den Konferenzräumen. Der Geruch von elektrostatisch aufgeladener Luft ist weltweit gleich, auch wenn die fünf Computertische aus besserem Kunststoff sind als üblicherweise. Nur zwei der Tische sind besetzt. An ihnen sitzen Männer, die etwas unbeholfen in die Tastatur hacken. Wahrscheinlich haben sie für so etwas sonst Sekretärinnen.
Ich logge mich mit meiner Zimmernummer und dem Nachnamen ein. Der Internetzugang baut sich blitzschnell auf, so etwas bräuchten wir auch in der Redaktion. Mein E-Mail-Account. Siebenundvierzig neue Nachrichten. Ich überfliege die Betreff-Leiste. Einundvierzig kann ich ungelesen wegwerfen, Spams und ähnlicher Mist.
Ein paar Nachrichten hat mir
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