Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin
feucht. Ich dachte, er würde gleich in Tränen ausbrechen, doch er musste nur niesen. »Ist hier irgendwo ein Köter?« Er drehte den Kopf und schaute sich in dem Laden um: keine Spur von einem Hund. »Haben Sie einen Hund? Ich reagiere ziemlich allergisch auf Hundehaare.«
»Wir haben keine Haustiere«, versicherte ich ihm.
»Dann muss es wer anders sein. Wie auch immer ... Ich weiß, was ich gesehen habe. Er war es.«
»Hören Sie, Eddie, kann ich Sie etwas fragen?«, bat Mac.
»Was denn?«
»Waren Sie an jenem Nachmittag high?«
»Wie ich schon sagte, ich kam vom Footballtraining. Wenn man da auftauchte und stoned war, flog man aus dem Team. Ohne Pardon. Glauben Sie mir, so wie meine Mutter auf die Kirche abfährt, genauso steht mein alter Herr auf Football. Das Risiko, eine Tracht Prügel zu kassieren, war mir viel zu hoch.«
»Und obwohl Sie an diesem Tag keine Drogen genommen hatten, glaubte Ihnen niemand.«
»Manche haben mir geglaubt, andere nicht.«
»Wann haben Sie über das gesprochen, was Sie gesehen haben?«
»Am nächsten Abend. Die Sache hat an mir genagt, verstehen Sie? Ich hab es meiner Mutter erzählt. Die brüllte mich nur an und meinte, ich solle den Mund halten, weil Pater X so was nicht tun würde. Aber als mein Vater Wind davon kriegte, hörte er mir zu und rief dann bei den Bullen an. Der Rest ist Geschichte.«
»Und was ist mit Joey passiert?«
»Keine Ahnung. Ich bin nicht mehr in die Kirche gegangen. Inzwischen war ich sechzehn, und da konnte meine Mutter mich nicht mehr dazu zwingen. Und meinem Vater war es eh schnuppe. Joey und ich verkehrten nicht in denselben Kreisen. Hin und wieder bin ich ihm über den Weg gelaufen, aber mehr auch nicht.«
»Hat er jemals mit Ihnen über den Vorfall gesprochen?«, fragte ich ihn.
»Ein einziges Mal. Er kam mit ein paar Freunden in den Park ... Er hing immer mit Mädchen ab, mit denen er Seilspringen und so einen Scheiß machte. Er sah mich, kam rübergerannt und flüsterte: ›Vielen Dank, Eddie. ‹«
»Das war alles?«
Eddie nickte.
»Und was haben Sie dann gesagt?«
»Was hätte ich denn sagen sollen? Aber es war nett, dass er sich bei mir bedankt hat, wissen Sie? Ich meine, wie er da so meinen Namen sagte, das war nett und klang, als ob er es ernst meinte. Wahrscheinlich war ich der Einzige, der Bescheid wusste.«
»Und später wohnten Sie bei den Sons of St. Paul’s?« Ich gab mich verblüfft, damit er auch den Rest seiner Geschichte erzählte. »Das muss doch komisch gewesen sein.«
»Scheiße. Komisch ist gar kein Ausdruck. Nach dem Knast – ich hatte zehn Monate für leichten Diebstahl abgesessen – blieb mir keine andere Wahl. Ein ganzes Jahr musste ich dort wohnen, verdammt noch mal, bevor ich wieder in ›die Gesellschaft eingegliedert‹ werden konnte. Was für ein Schwachsinn! Doch so lief es eben.«
»Soweit wir wissen, haben Sie sich dort ein paar Freunde zugelegt«, sagte ich.
»Mist, Sie haben richtig tief gegraben, was?« Auf einmal schien er sich wichtig vorzukommen, und wir ließen ihn in dem Glauben. »Falls Sie Jose, Marty und Iggy meinen – die habe ich nicht bei den Sons kennengelernt. Wir sind schon befreundet gewesen, als wir noch ganz klein waren. Eigentlich waren das Freunde von meinem älteren Bruder, und irgendwann hingen wir miteinander rum. Das sind keine üblen Burschen; aber wir gehen jetzt getrennte Wege.«
Der Grund, dass die früheren Freunde nichts mehr miteinander zu tun hatten, lag auf der Hand. Sie nahmen immer noch Drogen. Dass es sich dabei um Methadon aus der Klinik handelte, spielte keine Rolle. Da Eddie nichts mehr mit ihnen zu tun und die alten Zeiten endgültig hinter sich gelassen hatte, bestand keine Veranlassung, näher auf seine Verbindung zu diesen Verlierern einzugehen. Eddie hatte nun eine Wohnung und einen Job. Und auch wenn er wahrscheinlich nur den Mindestlohn erhielt und das Apartment ein Loch war, konnte er sich glücklich schätzen.
»Wenn ich mich recht entsinne, waren die Jungs auch mit einem von Joeys älteren Brüdern befreundet«, fügte er hinzu. »Joey hatte vier ältere Brüder. Keine Schwestern.«
»Können Sie uns vielleicht sagen, wo er heute wohnt?«, fragte ich.
»Die Espositos? Drüben in der President Street, zwischen der Hoyt und Bond, gleich gegenüber von der Schule. Ihr Haus funkelt wie ein Weihnachtsbaum. Sie fangen gleich nach dem Erntedankfest damit an und nehmen die Lichterketten erst zu Ostern wieder ab. Das können Sie gar nicht
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