Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin
unterschiedliche Jobs ausgeübt und sich nie auf ein Berufsfeld festgelegt hatte, war sie ein Tausendsassa mit zahllosen Fähigkeiten. Zudem beherrschte sie Tai-Chi, Karate und Aikido so gut, dass sie Anfänger darin unterrichten konnte, hatte in verschiedenen Büros und ein halbes Jahr lang sogar beim FBI in Manhattan gearbeitet.
»Dann haben Sie also die Sicherheitsüberprüfung bei denen bestanden?«, hakte Mac nach.
»O ja, den ganzen Zirkus. Eigentlich war das ein Heidenspaß ... Bis dahin hatte noch niemand meine Fingerabdrücke genommen. Keine Ahnung, ob Karin es erwähnt hat, aber ich stehe auf all den Kram.«
»Gibt es jemanden beim FBI, mit dem ich sprechen könnte?«
»Sicher.« Sie zog ein altes iPhone hervor, schickte dem Betreffenden die Kontaktdaten von Mac und schrieb eine SMS mit der Bitte um eine Empfehlung. Nur eine halbe Minute später meldete ein Signalton, dass eine Antwort eingegangen war.
»Gary sagt, Sie können ihn jederzeit anrufen«, meinte Mary. »Auch jetzt gleich, wenn Sie möchten.«
Mac zog die Augenbrauen hoch. Stars Ineffizienz war eines der Dinge gewesen, die ihn an ihr gestört hatten. »Warum nicht?«
Während er telefonierte, gesellte Mary sich zu den Kindern im Wohnzimmer. Ich schloss die Tür, damit Mac ungestört sprechen konnte, blieb in der Küche und hörte seinen Teil der Unterhaltung mit. Er stellte die üblichen Fragen und nickte, wenn Gary antwortete. Noch ehe er sich für die Auskunft bedankte und Mary lobte, hatte mir sein wohlmeinender Ton verraten, wie positiv das Gespräch verlaufen war. Nach dem Gespräch sagte er: »Er wollte sie einstellen, aber weil ihr Sohn noch zu klein war, hat sie sich gegen eine Vollzeitstelle entschieden.«
Ich musste schmunzeln. »Dann wagen wir es?«
»Ja.«
Wir gingen ins Wohnzimmer. Mac hob seinen Daumen, um Mary zu signalisieren, dass er nur Positives über sie erfahren hatte. »Laut Gary sind Sie diejenige, die entkommen ist.«
»Oje«, meinte sie verschämt, was wir ihr nicht abkauften, denn in Wahrheit wusste Mary ganz genau, wie kompetent sie war. »Möchten Sie noch mit jemand anderem sprechen?«
»Nicht nötig«, wehrte Mac ab. »Also, wollen Sie für uns arbeiten?«
Mary strahlte uns an. »Das war wohl Schicksal. Ich freue mich wirklich sehr. Wann soll ich anfangen?«
»Jetzt?«, platzte es aus mir heraus, als ich sah, wie wohl sich die Kinder mit ihr und Fremont fühlten.
»Okay. Fres Gig fängt erst in ein paar Stunden an. Sie beide können ausgehen, und ich und die Kinder machen einen Probelauf, bevor Sie mir endgültig zusagen.«
In Windeseile zogen wir Schuhe und Jacken an und stürmten in der Abenddämmerung aus dem Haus.
»Zum Abendessen ist es noch zu früh.« Mac zog die Haustür hinter sich zu, streifte sich die Lederhandschuhe über und lief die Stufen hinunter.
»Bist du hungrig?«
»Eigentlich nicht. Du?«
»Gar nicht.«
»Reicht die Zeit fürs Kino?«, fragte er auf dem Weg zur Smith Street.
»Hm. Was hältst du davon, wenn wir bei Edward Walczak vorbeischauen? Mit etwas Glück kommt er raus und spielt mit uns.«
Mac lachte so herzhaft, dass kleine Atemwölkchen in der kalten Luft aufstiegen. »Du kannst einfach nicht loslassen, oder?«
»Warum sollte ich?«, entgegnete ich unwirsch, was ihn offensichtlich auf die Palme brachte.
»Karin, wenn du um jeden Preis wieder Polizistin sein möchtest, bitte schön. Und wenn nicht, lass die Finger davon. Ich meine es ernst.«
Ich blieb stehen und wartete, bis er sich umdrehte und mich ansah. Sein Kommentar ärgerte mich nicht, sondern bestärkte mich nur in meinem Entschluss. Ich hatte mich lange genug zurückgehalten, und sein Blick sprach Bände: Ihm war klar, dass er mich nicht von meinem Vorhaben abbringen konnte.
»Du findest, ich übertreibe. Klar. Nur gibt es einen triftigen Grund, weshalb ich immer weiterbohre.« Ich erzählte ihm alles: von Vargas’ Ring, meinem Besuch auf dem 72. Polizeirevier, meiner Begegnung mit La-a, von der Liste der Verdächtigen, auf der auch Billys Name gestanden hatte, wie ich die beiden zusammengestaucht hatte, von meinen Bedenken, sie nicht überzeugt zu haben, und von meinem Bestreben, Billy zu schützen.
»Scheiße. Ich kann’s nicht fassen.«
»Verstehst du mich jetzt?«
Wir setzten uns wieder in Bewegung und legten ein flottes Tempo vor.
»Ja, sicher. Wo wohnt dieser Walczak?«
KAPITEL 18
Eddie Walczak jr. hatte seinen Namen von Hand auf ein Schild neben der Klingel geschrieben. Im Erdgeschoss
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