Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin
auf. Das Holz splitterte. Ich musste noch zweimal zutreten, bis die Öffnung groß genug war, um durchzukriechen. Nach vorn gebeugt, stürmte ich nach draußen.
Billy und Mary fiel bei meinem Anblick die Kinnlade herunter. Auf dem Boden zwischen ihnen lagen orangerote Glasscherben, die Überreste einer Vase.
»Karin!«, rief Billy. »Was soll das?«
»Das könnte ich dich auch fragen.«
»Ich bin gekommen, um nach Dathi und dir zu suchen.«
»Warum?«
»Weil ich mir Sorgen gemacht habe. Bildest du dir etwa ein, du hättest darauf das Monopol?«
»Woher wusstest du, dass du uns hier suchen musst?«
»Meinst du ... Ach, diese dämliche Dash. Die ist echt ’ne Nummer. Was hat sie dir gesagt?«
»Woher wusstest du, dass du uns hier suchen musst?«, fragte ich erneut.
»Sasha Mendelsohn hat mit Abby gesprochen und mich angerufen.«
»Billy!«, schrie ich empört. »Ich habe mit deiner Schwester telefoniert und -«
»Ja, ich weiß.« Er stieß einen Seufzer aus. »Okay, ich habe dich angeschwindelt. Sie hatte keinen Rohrbruch. Ich musste über etwas nachdenken, mal ganz allein sein. Ich wollte mit niemandem darüber reden und bin nach Greenport in North Fork gefahren. Habe mich betrunken, lange Spaziergänge gemacht. Mir den Kopf durchpusten lassen.«
»Ist das so?«
»Warum zweifelst du daran?«
»Wegen dieser nuttigen Frauenklamotten in deinem Apartment.«
Fassungslosigkeit spiegelte sich in seiner Miene. »O nein. Das hast du allen Ernstes geglaubt? Karin, ehrlich, so etwas denkst du? Über mich?«
»Dash und George Vargas hatten dich im Visier. Weil du an Tatorten immer öfter Aussetzer hattest, dachten sie, dass das nicht nur PTBS ist.«
»Ja, ich weiß. Davon habe ich heute Morgen erfahren, nachdem du gegangen bist. Wir haben uns ausgesprochen. Dass sie mich im Verdacht hatten, war kompletter Unsinn. Ich könnte sie wegen Mobbing drankriegen, weißt du? Aber das mache ich nicht. Ich will nur raus.«
Falls er damit meinte, dass er vom Polizeidienst genug hatte, war das gut für ihn; doch jetzt war nicht der richtige Moment, über dieses Thema zu sprechen.
»Billy, was hat es mit den Klamotten auf sich?«
»Ich bin nicht der Prostituiertenmörder, Karin.«
Seine Miene nötigte mich beinahe, ihm Glauben zu schenken. Und dennoch ... Falls er ein zu Täuschung und Manipulation fähiger Soziopath war, tat er nur das, was er immer tat – nämlich mich davon überzeugen, dass er ein guter Mensch und mein Freund war.
»Erklär mir das mit den Klamotten, Billy!«
»Ich habe es dir schon gesagt: Janine hat mir eine Tüte für Dathi mitgegeben, und zwar letzte Woche, bevor sie verreist sind. Die habe ich mit nach Hause genommen, irgendwo deponiert und bin dann zur Arbeit gegangen.« Er verdrehte die Augen, als falle ihm gerade etwas ein. Rasch zog er sein Handy aus der Jeanstasche und verwendete eine Kurzwahltaste. »Eartha? Hier ist Onkel Billy. Die Tüte mit den abgelegten Klamotten, die im Flur neben der Eingangstür stand, als ich das letzte Mal bei euch war. hast du da noch andere Sachen reingestopft, bevor ich gegangen bin?« Während er zuhörte, begann er zu schmunzeln. »Aha, danke, Schätzchen.«
Mary und ich tauschten Blicke aus: War das jetzt echt, oder versuchte er, uns etwas vorzuschwindeln? Konnten wir wirklich sicher sein, dass er mit seiner Nichte telefonierte? Im Notfall konnte ich das nachprüfen ... und das wusste er. Also glaubte ich ihm. Billy war in letzter Zeit manchmal schwierig, aber dumm war er nicht.
»Die Sachen hat sie bei der Theateraufführung in der Schule getragen. Sie dachte, die Tüte wäre für den Altkleidercontainer bestimmt. Woher hätte sie wissen sollen, dass ihre Mutter die Sachen jemandem schenkt?«
»Was für ein Stück haben sie aufgeführt?«
Er grinste bis über beide Ohren. »Rent. Zufrieden?«
»Ist dir wirklich nicht aufgefallen, was in der Tüte steckte, Billy?« Ich konnte mir das angesichts dieser Fummel einfach nicht vorstellen. »Normalerweise trägt Eartha solche Klamotten nicht, oder?«
Er zuckte mit den Achseln. »Ehrlich, Karin, ich habe nicht darauf geachtet. Ich habe einfach nur die Tüte geschnappt und bin gegangen. In letzter Zeit war ich nicht ganz bei mir und habe so einiges nicht mitgekriegt.«
Womit er recht hatte. Von einer Sekunde auf die andere verrauchten meine Zweifel.
»Es tut mir leid, Billy, ich ...«
»Karin, vergiss es! Lass uns diese Sache bitte vergessen. Wir müssen Dathi finden.«
»Ich bin hier.« Anscheinend
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