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Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin

Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin

Titel: Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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war?«, fragte Mac.
    Billy zuckte mit den Achseln. »Solche Geschichten kriegen wir immer zu hören, wenn ein Weißer in der Klemme steckt. Immer ist es ein Schwarzer, der plötzlich auftaucht und sie in irgendwas reinreitet, oder?«
    Sein Einwand war nicht unberechtigt. Spontan fielen mir zwei Fälle ein, die mittlerweile berühmtberüchtigt waren.
    1989 behauptete Chuck Stuart, ein Schwarzer habe urplötzlich vor seinem Wagen gestanden, seiner im siebten Monat schwangeren Frau den Schmuck abgenommen, sie (und ihren ungeborenen Sohn) erschossen und sei dann weggerannt. Wochenlang wurde in den von Schwarzen dominierten Stadtteilen in Boston nach dem Täter gefahndet. Stuarts Bruder gab später zu, dass er auf Chucks Bitte hin den Schmuck in den Charles River geworfen hatte. Kurze Zeit später beging Chuck, der einen fiktiven schwarzen Täter erfunden hatte, Selbstmord. In Wahrheit hatte er selbst seine Frau und seinen ungeborenen Sohn getötet, weil er die Verantwortung für die Familie scheute und mit einer Kollegin angebandelt hatte.
    1991 bat Susan Smith, eine junge SüdstaatenMutter, das ganze Land um Mithilfe bei der Suche nach einem Schwarzen, der ihren Geländewagen gestohlen und ihre beiden Söhne entführt hatte, die in Kindersitzen auf der Rückbank saßen. Schließlich wurde der Wagen in einem See gefunden; die beiden Kinder darin waren ertrunken. Später gestand Smith, dass sie den schwarzen Täter erfunden hatte; sie habe ihre Söhne opfern müssen, weil ihr Freund Kinder nicht ausstehen konnte.
    »Du hast vollkommen recht«, meinte Mac und hob entschuldigend die Hände.
    Im Geiste ging ich noch einmal Pats Worte durch. »Wartet mal. Er hat ausgesagt, er hätte einen dunklen Schatten gesehen. Von einem Schwarzen hat er nichts gesagt. Er hat die Sozialbausiedlung erwähnt und einen dunklen Schatten, der in Richtung der Siedlung rannte. Nur zur Klarstellung: Er hat nicht behauptet, ein Schwarzer wäre zum Ghetto gelaufen. Wenn wir uns gegen Klischees wenden, sollten wir uns davor hüten, selbst in Stereotypen zu denken.«
    Billy verzog die Miene und nickte zögernd.
    »Mensch!«, rief ich aus. »Pat hat Abby für eine Prostituierte gehalten, nur weil sie auf der Nevins Street unterwegs war. Er hat das tatsächlich gedacht!«
    »Es war kurz vor Mitternacht.«
    »Also bietet jede Frau, die sich spätnachts in einer heruntergekommenen Straße herumtreibt, ihren Körper feil?«
    »Karin«, mahnte Mac mich sanft, aber bestimmt. »Ich kann ihn schon irgendwie verstehen.«
    »Sie trug einen Schlafanzug mit Schäfchenmuster!« Ich starrte Mac und Billy vorwurfsvoll an. Musste ich die beiden Männer, die mir am wichtigsten waren, jetzt wirklich dazu drängen, ihre männliche Triebstruktur zu hinterfragen?
    Billy rutschte auf seinem Stuhl nach vorn. »Und du bist schockiert, weil er ein weißes Mädchen in einem Schlafanzug mit Schäfchenmuster vernaschen wollte.«
    »Nein!«
    »Denn lass dir eins gesagt sein: Kleine schwarze Mädchen sind das gewöhnt. Du würdest nicht glauben, was ich in dieser Stadt schon alles erlebt habe. Schwarze Zuhälter, die kleine schwarze Mädchen an deine weißen Nachbarn verhökern.«
    »Puh.« Mac legte jedem von uns eine Hand auf den Arm, als könnte seine Berührung die Schärfe aus dieser unerfreulichen Diskussion nehmen. »Könntet ihr beide mit diesem Geschwafel über Geschlechts- und Rassendiskriminierung jetzt aufhören? Dieser Patrick ist ein Schwein, und das hat wirklich nichts damit zu tun, dass er weiß ist, in seiner Freizeit Regale zusammenzimmert oder in Queens wohnt. Solche Typen findet man überall, unabhängig von Rasse oder Geschlecht. Und das wisst ihr auch. Also, jetzt mal runter von eurem hohen Ross.«
    Billy und ich ließen seine berechtigte Schelte wortlos über uns ergehen.
    Ich schämte mich und spürte gleichzeitig, wie blinde Wut von mir Besitz ergriff. Billy brachte mich auf die Palme ... Nur war das tatsächlich der Auslöser? In der letzten Woche war so viel passiert, dass ich nicht mehr genau wusste, was für ein Mensch er war. Bislang hatte ich ihn für verlässlich und unbeirrbar gehalten, und nun wirkte er auf einmal ganz zerbrechlich. War ich desillusioniert, weil er gravierende psychische Probleme hatte? Verstörte mich seine Krise? Kam ich nicht mit der Tatsache zurecht, dass er sich in einer Zwangslage befand? Wieso nervte er mich? Schließlich war er nicht für die grassierende Engstirnigkeit in unserem Land verantwortlich. Dass sich das

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