Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin
vorgeschlagen?«, wollte Mac wissen.
»Er hatte versprochen, sich am nächsten Morgen zu melden und einen Kandidaten zu nennen.«
»Und ... wen hat er empfohlen?«, fragte ich.
»Er hat ihnen am nächsten Tag viele Nachrichten hinterlassen«, erklärte Billy, »aber keinen Handwerker vorgeschlagen. Er wollte mit ihnen über Abby reden. Er steht der ganzen Familie recht nah. Pater X hat auch viel Zeit an ihrem Krankenbett verbracht.«
»Unser Hauspfarrer hätte das auch getan. Er und meine Mutter waren so.« Mac kreuzte Zeige- und Mittelfinger. »Mein Vater hat immer gewitzelt, dass sie ihn für ›Sohn, Vater und Heiligen Geist, aber vor allem für den Vater‹ verlassen würde.« Die Erinnerung an die verstorbenen Eltern veranlasste Mac zu kichern.
»Ziemlich befremdlich«, fand ich.
»Eigentlich nicht«, entgegnete Mac ernst. »Das, was sich momentan in der Kirche abspielt, ist nur ein kleiner Teil von all dem Schlimmen, was dort passiert.«
»Nach dem, was man hört, läuft das schon lange so«, fügte ich hinzu.
»Karin, die sozial eingestellte Christin.« Billy sah zu Mac hinüber, der ein Grinsen unterdrückte. »Mann, das trifft im Kern genau das, worüber wir eben gesprochen haben.«
»Das stimmt, Karin«, meinte Mac. »Du darfst nicht über alle den Stab brechen, nur weil einige Dreck am Stecken haben.«
»Ist das jetzt ein Zitat von deinem Hauspfarrer?«
Er verzog die Miene, aber ich musste ihm beipflichten: Selbstgerechtigkeit war fehl am Platz.
»Na schön«, sagte ich. »Zurück zu den Fakten und weg mit den bösen Gedanken. Wie geht es Abby?« In dem Moment musste ich zugleich an Dathi denken, und die Sorge um sie schlug mir auf den Magen. Zigfach hatte ich bereits auf mein BlackBerry geschaut in der vergeblichen Hoffnung, endlich eine Antwort von ihr erhalten zu haben. Zwei Tage waren seit meinem Telefonat mit Onkel Ishat vergangen. Je mehr Zeit verstrich, desto unruhiger wurde ich.
»Ich fahre nachher ins Krankenhaus und sehe nach ihr«, antwortete Billy.
Mein Herz begann, schneller zu schlagen. Ich musterte ihn, woraufhin er einen Seufzer ausstieß.
»Ja, sicher, du kannst mitkommen«, sagte er, bevor ich ihn überhaupt gefragt hatte.
Ich drehte mich zu Mac um. »Kannst du heute Nachmittag auf Ben aufpassen? Er könnte auch zu Mom gehen, aber ich halte es nicht für klug, wenn du uns begleitest, wo du gestern noch im Bett gelegen hast.«
»Kein Problem«, meinte Mac. »Geh nur. Du kannst mir hinterher berichten, ob sich etwas Neues ergeben hat.«
* * *
Bei unserem Eintreffen stand der Pfarrer vor Abbys Krankenzimmer. Schon von weitem merkte ich, dass ihn alle anlächelten, die an ihm vorbeigingen. Obwohl er jeden Gruß mit einem knappen Kopfnicken erwiderte, widmete er seine ganze Aufmerksamkeit einem Paar mittleren Alters, mit dem er sich gerade unterhielt. Der Mann hatte graublondes Haar und trug gebügelte Chinos und ein kariertes Flanellhemd. Die Frau, die ihren Partner leicht überragte, hatte Jeans und einen flauschigen weißen Pulli an. Ein blassblaues Stirnband sorgte dafür, dass ihr die schulterlangen, offensichtlich blondierten Haare nicht ins Gesicht fielen. Kurz bevor wir Abbys Tür erreichten, nahm der Pfarrer von Billy Notiz.
»Sie müssen Pater Dandolos sein«, begrüßte Billy ihn lächelnd und streckte ihm die Hand entgegen. »Ich bin Detective Staples vom 84. Polizeirevier.«
»Ja, selbstverständlich. Freut mich, Sie persönlich kennenzulernen. Endlich gibt es ein Gesicht zu der Stimme am Telefon. Und nennen Sie mich bitte Pater X. So halten es alle anderen auch.« Anstatt Billys Rechte zu drücken, umschloss Pater X sie mit beiden Händen, die von Altersflecken gezeichnet waren. Er hatte einen üppigen weißen Haarschopf, ein beachtliches Doppelkinn und kleine Augen, die in dem schlaffen, teigigen Gesicht unterzugehen drohten. Wenn er lächelte, strafften sich seine Wangen und färbten sich rot.
»Das hier ist Karin Schaeffer«, stellte Billy mich vor. »Sie ist Privatdetektivin und berät mich in diesem Fall.«
Pater X umschloss auch meine Hand. Seine Haut fühlte sich kalt und feucht an.
»Ich möchte Ihnen Steve und Linda Campbell vorstellen«, sagte er. »Sie waren sehr eng mit Reed und Marta befreundet.«
Steve presste die Lippen zusammen, und tiefe Furchen tauchten neben dem ungewöhnlich breiten Mund auf. Ich kannte ihn von irgendwoher, konnte mich allerdings nicht erinnern, wo dies gewesen war. »Wir stehen immer noch unter Schock wegen dem, was
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