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Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin

Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin

Titel: Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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unsichtbar machen. Mac nahm meine Hand und drückte sie. Als ich zu ihm blickte, wirkte er sehr mitgenommen.
    Ging ihm das Gleiche durch den Kopf wie mir? Diese schwer verwundete Waise inmitten von Fremden stimmte mich unfassbar traurig. Dachte er jetzt auch an Dathi, deren Mutter einem Gewaltakt zum Opfer gefallen war und die von nun an ohne elterliche Fürsorge auskommen musste? Begriff er nun, dass man sich nicht abwenden durfte, wenn man helfen konnte? Ich drückte seine Hand und ließ sie nicht mehr los. In Wahrheit hatte ich nicht den leisesten Schimmer, was ihn gerade beschäftigte, und ich bezweifelte, dass er meine mütterliche Ader teilte. Mac ließ sich von nichts und niemandem unterkriegen und verlor nie die Beherrschung. Ich war aus anderem Holz geschnitzt: Man sagte mir nach, unbesonnen zu handeln, manchmal sogar rücksichtslos, und ich war berüchtigt für meinen Starrsinn. Ich verließ mich stärker auf mein Bauchgefühl als andere, wofür Mac mich gleichzeitig bewunderte und kritisierte. Keine Ahnung, was er dachte, aber ich spürte, wie sich in diesem Moment etwas veränderte, und ich hoffte, dass er das Schicksal verwaister und misshandelter Mädchen nun mit anderen Augen sah.
    Billy stand in der gegenüberliegenden Zimmerecke und starrte Abby mit seinem gesunden Auge an. Seine Pupille war auf die Größe eines Stecknadelkopfes geschrumpft, was nicht an den Lichtverhältnissen im Raum liegen konnte. Auf seinem Gesicht lag ein dünner Schweißfilm, zudem hatte es wieder diesen maskenhaften Ausdruck. Mit einer kleinen Kopfbewegung lenkte ich Macs Aufmerksamkeit auf Billy. Mein Mann reagierte alarmiert; er ließ meine Hand los und ging zu seinem Freund.
    »Kann ich dich kurz sprechen?«, flüsterte er Billy ins Ohr, der sogleich aus seiner Starre erwachte und ihn verdutzt anstarrte. War er nur tief in Gedanken versunken gewesen, oder hatte er wieder einen Flashback gehabt?
    Widerstrebend ließ Billy sich von Mac aus Abbys Zimmer führen. Gerade als ich ihnen hinterhereilen wollte, tauchten die Campbells auf, und ich entschied mich zu bleiben. Immerhin war es möglich, dass Abby gleich zu sprechen begann, und diesen Augenblick wollte ich um keinen Preis verpassen.
    Die Campbells, die sich nun um zwei Kranke kümmern mussten, wirkten sehr mitgenommen. Hatten sie vergangene Nacht überhaupt ein Auge zugetan? Lindas ansonsten modisch frisierte Haare hingen in Strähnen herab, und Steves blassgelbes Hemd war stark verknittert. Auf der Brusttasche, in der eine Schachtel Zigaretten steckte, prangte ein brauner Fleck.
    »Schätzchen!« Linda beugte sich zögernd über Abbys Bett, als getraue sie sich nicht, dem zerbrechlich wirkenden Mädchen nahezukommen. Abby würdigte die Frau, die von nun an ihr gesetzlicher Vormund, ihre Stiefmutter war, kaum eines Blickes.
    Wollte Abby nicht erfahren, warum ihre Eltern nicht gekommen waren?
    Rechnete sie damit, dass sie jeden Moment in ihrem Zimmer erschienen? Wartete sie auf ihren Besuch?
    Oder wusste sie, dass ihre Eltern tot waren?
    Erinnerte sie sich an das, was in jener Nacht passiert war?
    Mit den Händen in den Hosentaschen stand Steve etwas abseits und beobachtete, wie seine Frau versuchte, mit Abby Kontakt aufzunehmen. Schließlich streckte Linda die Hände aus und legte sie auf Abbys Wangen.
    »Wir freuen uns sehr, dich zu sehen«, sagte Linda. »Hab keine Angst. Hat man dir gesagt, dass du im Krankenhaus liegst und es dir gutgeht?«
    Alle Ärzte nickten. »Ja, sie weiß Bescheid«, erwiderte Dr. Miller. »Wenn man aus dem Koma geholt wird, wirkt zuerst alles ziemlich verstörend. Es könnte eine Weile dauern, bis Abby sich wieder zurechtfindet.«
    »So ist es«, pflichtete Dr. Alter-Jones ihm bei. »Abby, möchtest du ein paar Minuten mit Linda und Steve allein sein?«
    Weder antwortete Abby, noch würdigte sie den Arzt, der mit ihr sprach, eines Blickes.
    »Gut«, meinte Dr. Alter-Jones. »Wir kommen gleich wieder.«
    Ich verließ mit den Ärzten das Zimmer. Kaum hatten sie das Krankenzimmer verlassen, begannen sie bereits zu fachsimpeln.
    »Schwer abzuschätzen, ob hier eine neurologische Schädigung vorliegt«, gestand Dr. Alter-Jones. »Alle lebenswichtigen Organe funktionieren. Im Prinzip sind die grundlegenden kognitiven Funktionen da, was mich einigermaßen optimistisch stimmt.«
    »Warten wir’s ab«, warnte Dr. Miller. »Piepen Sie mich an, falls ...«
    Und dann waren sie außer Hörweite.
    Ich gesellte mich zu Mac und Billy, die gegenüber vom

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