Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin
ertönten Schritte. Mac und Ben stellten sich auf den Treppenabsatz und spähten nach unten.
»Mac, Ben?« Ich schob Dathi ein Stück vor und stellte ihr meine beiden Männer vor. »Das hier ist Arundathi Das. Dathi, das sind Mac MacLeary, mein Mann, und unser Sohn Ben.«
Mit strahlender Miene sah sie zu einem sprachlosen Mac hoch, an dessen Beine Ben sich klammerte. Was löste Dathis Anblick, die große Ähnlichkeit mit ihrer Mutter besaß, wohl bei meinem Sohn aus?
»Ist Ben die Kurzform für Benjamin?«, erkundigte sich Dathi mit einem Anflug von Ironie in der Stimme. »Oder ist der Name so kurz, weil du so klein bist?«
Zuerst kicherte Ben noch verhalten, dann brach er in schallendes Gelächter aus.
»In meinem Dorf gibt es einen Jungen. Er ist etwa so groß wie du, also ein Zwerg. Und dabei ist er schon vierzehn!«
Sie folgte mir nach oben, wobei sie einen höflichen Abstand hielt, und fuhr Ben durch die Haare, was meinen Sohn sichtlich freute. Daraufhin schob sie blitzschnell die Hand unter seinen Arm und kitzelte ihn. Mit dieser kleinen Geste hatte sie ihn endgültig für sich gewonnen.
Mutter saß auf einem Stuhl am Fenster in der Spätnachmittagssonne, die Tageszeitung auf dem Schoß ausgebreitet. Sie spähte über den Rand ihrer Lesebrille und öffnete bei unserem Anblick verblüfft den Mund. Glücklicherweise fing sie sich schnell wieder und erhob sich, um unseren Gast zu begrüßen.
»Chalis Tochter.« Tränen traten in Moms Augen, als sie Dathis schmale Hand nahm und drückte. »Willkommen.«
Dathi verbeugte sich leicht. »Mrs .... Ich weiß Ihren Namen nicht.«
»Ich bin Pam«, stellte meine Mutter sich vor. »Eigentlich Mrs. Castle, aber du kannst mich Pam nennen, meine Liebe.«
Dathi nickte. »Pam.«
»Früher hieß ich Karin Castle«, erklärte ich. »Und seit meiner ersten Ehe Karin Schaeffer. Mein zweiter Mann heißt Mac MacLeary, seinen Nachnamen habe ich nicht angenommen. Ben heißt wie sein Vater. Alles ziemlich verwirrend, was?«
Dathi lächelte und zuckte nur mit den Achseln. Sie hatte begriffen, wie das hier lief, und machte kein Aufheben darum. »Meine Mutter hat gesagt, dass hier vieles anders ist und es mir gefallen würde, wenn ich mich daran gewöhnt habe.«
»Kluges Mädchen«, befand meine Mutter und signalisierte mir mit einem kurzen Blick, wie abwegig sie die Vorstellung fand, dass Dathi sich ihren Lebensunterhalt als Prostituierte verdiente. Sie nahm Dathis Hand und führte sie zur Couch. »Du musst erschöpft sein. Wie lange warst du in der Luft?«
»Gut vierzehn Stunden. Ich habe im Flieger ein wenig geschlafen.«
Ben kletterte neben Dathi auf das Sofa. Mac, der nicht so leicht zu gewinnen war, signalisierte mir, dass er mit mir unter vier Augen reden wollte. Er ging in die Küche, und ich folgte ihm.
»Ich muss zugeben, dass sie sehr nett ist«, begann er. »Aber sie ist ein menschliches Wesen, und du kannst sie nicht einfach so aufnehmen wie einen streunenden Hund. Unter Umständen hat es auch sein Gutes, dass du sie hierhergebracht hast, wo sie sicher ist. Doch rede ihr bitte nicht ein, sie wäre von nun an Teil dieser Familie.«
»Und zu welcher Familie soll sie deiner Meinung nach in Zukunft gehören?«
»Keine Ahnung. Montag rufen wir das indische Konsulat an und finden heraus, was zu tun ist.«
»Nein, das tun wir auf gar keinen Fall. Die schicken sie zurück, ohne mit der Wimper zu zucken, und ich brauche dir nicht zu sagen, was dann passiert. Ich besorge mir einen Anwalt und werde alles in meiner Macht Stehende tun, damit sie bleiben kann.«
»Karin, ehrlich, das ist total verrückt.«
»Nein, alles andere wäre total verrückt. Für sie zu kämpfen, das ist richtig. Chali hat Jahre gebraucht, um ihre Tochter ins Land zu holen.«
»Nur dass Chali tot ist.«
»Genau. Und wir nicht. So ist es nun mal. Das Leben ist knallhart. Hast du noch weitere Einwände?«
»Willst du etwa, dass sie das gleiche Schicksal erleidet wie alle anderen illegalen Einwanderer, die heimlich in New York leben? Vergiss nicht, Kinder ohne Papiere sind wie paralysiert und leben in ständiger Angst; und manche werden sogar deportiert.«
»Wir finden schon eine Lösung. Und bis dahin ist es unsere Pflicht, sie zu beschützen.«
»Ich weiß um deinen Kummer, Karin. Und mir ist klar, welcher Tag heute ist. Dennoch ist es purer Zufall, dass sie ausgerechnet heute gelandet ist.«
»Heute hätte unser Kind auf die Welt kommen sollen. Meg war auch dein Baby.«
»Meg?«
Mir
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