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Karl der Dicke & Genossen

Karl der Dicke & Genossen

Titel: Karl der Dicke & Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schrader
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morgenfrisch vor ihnen stand und einen Wecker abschnurren ließ.
    „Das Frühstück ist fertig, steht auf!“ sagte sie fröhlich. Die Jungen setzten sich hin, rieben sich die Augen, reckten sich und stellten unglaublich erleichtert fest, daß sie die schlimmste Nacht ihres Lebens überstanden hatten, ohne ein Ohr, einen Fuß oder auch nur einen kleinen Finger verloren zu haben.
    Nach einer sehr flüchtigen Morgentoilette nahmen sie an dem von Tante Anna einladend gedeckten Tisch Platz, begrüßten Herrn Mertens und ließen sich gekochte Eier und knusprige Brötchen schmecken. Dabei fiel ihnen auf, daß der Professor bleich und übermüdet aussah. Sie merkten auch, daß er wenig aß. Aber das mochte seine Gewohnheit sein. Herr Mertens schluckte ein paar Tabletten und Kapseln, trank ein Glas Orangensaft und beobachtete seine Gäste.
    „Ihr habt hoffentlich gut geschlafen?“ fragte er, als die Mahlzeit fast beendet war.
    Guddel warf Karl einen schnellen Blick zu und kniff die Augen zusammen.
    „Jaja“, sagte der, ohne sich zu bedenken. „Die Matratzen waren prima weich und die Steppdecke groß genug für uns. Ich hab’ kein bißchen gefroren. Du etwa, Egon?“
    „Nee“, antwortete der, „im Gegenteil! Mir war heiß wie im Backofen. Ich hatte nämlich einen ganz scheußlichen Traum.“
    „So“, fragte Herr Mertens, „was hast du denn geträumt?“
    „Och“, antwortete Egon, „eigentlich nichts Besonderes, und jetzt am Tage klingt es beinahe lächerlich. Ich hab’ geträumt, irgend so ein häßlicher Gnom säße auf meiner Brust und wollte mich erwürgen.“
    „Leopold“, sagte Herr Mertens leise.
    Die Jungen sahen sich betroffen an.
    „Erzähl weiter! Was geschah dann?“
    „Dann war da auf einmal so ein großes Wesen mit grünen Augen und kam auf mich zu“, fuhr Egon fort. „Aber ich schrie, und da entfernte es sich. Es verschwand in Ihrem Zimmer, und ich glaubte schon...“
    „Und wir glaubten schon, es wollte Sie umbringen“, fiel Guddel ihm ins Wort. „Wir wollten Ihnen helfen, aber wir hatten einfach nicht den Mut.“
    „Oben auf dem Dachboden wurde nämlich zur gleichen Zeit jemand ermordet“, sagte nun Karl.
    Herr Mertens nickte.
    „Ich habe es auch gehört“, flüsterte er. „Das war sicher Leopold. Der Arme! Geht bitte nach dem Essen hinauf und schaut nach ihm. Hoffentlich hat er einen schnellen Tod gehabt! Ihr müßt ihn begraben.“
    Die Jungen erstarrten.
    Der Mann da in seinem Rollstuhl hatte den Verstand verloren!
    Egon erstickte fast an seinem letzten Brötchen, und Guddel sagte bebend: „Er hat geschrien wie ein Kind!“
    „Er war ja auch noch ein Kind“, sagte Herr Mertens nachdenklich, „ein kleines, unfolgsames Kind. Schade um ihn. Ich habe ihn sehr gern gehabt.“
    „Lassen Sie es man gut sein“, mischte sich an dieser Stelle Tante Anna ins Gespräch, „er hat mir auch viel Arbeit und Ärger gemacht. Nun ist er tot. Gott hab’ ihn selig, aber wir haben unsere Ruhe wieder. Kommt, Kinder, wir holen ihn herunter und buddeln ihn ein. Je eher desto besser. Noch ist es früh am Tag, da sehen es die Nachbarn nicht. Besonders die Müllers, deren Garten an unseren grenzt, tratschen es doch immer gleich in der Stadt herum und drohen mit der Polizei, wenn wir wieder einen beerdigen. Er ist ja nun auch schon der fünfte!“
    Guddel lief eine Gänsehaut über den Rücken.
    „Der fünfte?“ fragte er bebend. „Haben Sie die andern vier auch im Garten begraben?“
    „Ja, natürlich, das macht die wenigsten Umstände. Obwohl es natürlich nicht sein soll, wegen der Grundwasserverseuchung. Aber ich halte das für übertrieben, zumal wir sie gar nicht so tief eingraben. Letztens, als ich Erbsen pflanzte und eine winzige Rille auskratzte, hatte ich plötzlich den Fuß von Waldemar in der Hand.“
    „Nicht Waldemar“, warf der Professor ein, „den hatten wir unterm Birnbaum verscharrt. Joachim von Burgund muß es gewesen sein.“
    „Ist ja auch egal“, sagte Tante Anna, „auf jeden Fall wollen wir die Sache schnell hinter uns bringen. Kommt! Jetzt brauchen wir kein Licht. Am Tage ist es auf dem Boden ganz hell.“
    Sie stand auf und ging zur Tür.
    „Nehmt die Wanne mit“, sagte Herr Mertens, „vielleicht hat er geblutet. Sonst besudelt ihr die ganze Wohnung.“ Den Jungen war nun restlos klar, daß sie sich im Haus eines Irren befanden. Sie wollten möglichst schnell nach draußen und dieses entsetzliche Abenteuer vergessen.
    Mit angespannten, wachen Sinnen folgten

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