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Karl der Dicke & Genossen

Karl der Dicke & Genossen

Titel: Karl der Dicke & Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schrader
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Katzen lagen bewegungslos, die Laterne vor dem Haus schaukelte leise im Nachtwind.
    Schlaf, Schlaf, tiefer Schlaf!
    Die Weltzeitenuhr über der Tür zählte leise schnarrend die Minuten und ließ ihr rotes Auge sekundenlang aufblitzen, wenn der Zeiger weitersprang.
    Schlaf, Schlaf, bewußtlos und schwer!
    Um Mitternacht nahm der Wind zu, die Laterne quietschte, eine Fensterscheibe zitterte.
    Im Hause gingen Veränderungen vor.
    Lautlos öffnete sich die Tür des Museumszimmers, der Schein einer Taschenlampe huschte unstet über die schlafenden Jungen, tastete über die ausgestopften Tiere, die Sammlungen in den Kästen und heftete sich auf den Schreibtisch am Fenster.
    Egon träumte unruhig.
    Auf seiner Brust hockte ein Gnom, schnitt greuliche Gesichter und zwickte ihn in Ohren und Nase. Er versuchte ihn abzuschütteln, schnellte herum, deckte sein Gesicht mit den Händen, packte das Scheusal und schleuderte es von sich, setzte sich hin, hörte es davontappen und sah, benommen vom Schlaf, in der Tür eine dunkle Gestalt, ein Wesen, breit und ungeschlacht, sah grüne Augen funkeln und fühlte, wie das Entsetzen ihn lähmte. Das grünäugige Ungeheuer näherte sich langsam, glitt heran, wuchs auf, riesengroß, beugte sich über ihn. Da schrie Egon in Todesangst so schrill, daß Karl und Guddel gleichzeitig erwachten und in die Höhe fuhren.
    „Was?“ rief Karl.
    „Wer?“ fragte Guddel.
    Sie rissen die Augen auf und bemühten sich, aus Schlaf und Traum emporzutauchen. Egon zwängte sich zwischen sie, zitternd, unfähig, ein Wort zu sagen. Er hielt nur beide Arme ausgestreckt und hatte die Hände geöffnet, als wollte er sich vor einem Angreifer schützen.
    Und da bemerkten auch Guddel und Karl das plumpe Wesen mit den phosphoreszierenden Augen, das kaum zwei Meter vor ihnen regungslos lauerte. Jetzt bewegte es sich behutsam und leise, schob sich zurück, glitt völlig geräuschlos an einem sprungbereiten Edelmarder vorüber, schwankte leicht im wechselnden Licht der Straßenlaterne und verschwand im Zimmer des Professors. Die Tür schloß sich hinter ihm.
    Die Jungen waren hellwach.
    „Hier spukt es!“ flüsterte Guddel zitternd. „Ich wollte, wir hätten auf Opa Hameln verzichtet.
    „Quatsch!“ sagte Karl ebenso leise. „Das ist ein Einbrecher. Hoffentlich!“
    „Wieso hoffentlich? Bist du übergeschnappt?“
    „Mensch, weil mir ein Einbrecher hundertmal lieber ist als ein, na, als etwas noch Schlimmeres.“
    Guddel schluckte.
    „Wir müssen Herrn Mertens zu Hilfe kommen“, wisperte er, „der kann sich doch gar nicht wehren!“
    In diesem Moment hörten sie Geräusche auf dem Dachboden. Es rollte, polterte, schepperte und fegte hin und her.
    Sie drückten sich eng aneinander und lauschten gespannt. „Das ist die erste und letzte Nacht in diesem Haus“, flüsterte Guddel. „Lieber auf einem Friedhof schlafen als in diesem Spukhaus.“
    „Red nicht von Friedhof“, sagte Karl mit belegter Stimme. „Damit hat’s noch ein bißchen Zeit.“
    Egon zitterte, daß die Steppdecke Wellen schlug.
    „Mich wollten sie umbringen“, sagte er mit erstickter Stimme. „Es saß schon jemand auf meiner Brust und...“ Er brachte den Satz nicht zu Ende, denn in diesem Augenblick fiel auf dem Dachboden etwas um, krachte nieder, daß die Zimmerdecke knisterte. Gleichzeitig drang der Todesschrei eines Kindes zu ihnen herab.
    Schaudernd drängten sich die drei zusammen und hielten den Atem an. Das war ein Mord.
    Und sie hatten ihn nicht verhindert!
    Keine Gruselgeschichte hatte sie je so aufgewühlt wie diese unheimliche Wirklichkeit. Sie waren Ohrenzeuge eines Mordes geworden, und beinahe hätte man sogar einen von ihnen umgebracht!
    Unfähig, sich zu bewegen oder zu sprechen, horchten sie nach oben. Dort aber war jetzt alles still. Todesschweigen herrschte an der Stätte, wo der abscheuliche Mord geschehen war. Kein Tappen, kein Schleichen. Eine entsetzliche Ruhe füllte das Haus.
    Die Jungen hörten ihr Herz schlagen, ihr Blut rauschen. Auf einmal schlug ein Fenster zu. Der Wind heulte auf. Welche Erlösung!
    Der Mörder war weg, war durch das Fenster entkommen. Karl holte tief Luft, erleichtert und erlöst.
    „Er ist weg!“ sagte er. „Diesen Krach kann er sich nur erlauben, wenn er draußen ist.“
    Sie lagen noch lange wach und lauschten. Da aber im Hause nichts Absonderliches mehr geschah, beruhigten sie sich allmählich und schliefen wieder ein.
    Aus dem Schlaf gerissen wurden sie erst von Tante Anna, die

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