Karl der Dicke & Genossen
zurück.
Der Tag neigte sich, und allmählich meldete sich wieder der Hunger. Plötzlich gab es einen lauten Knall. Karl war der Reifen des Vorderrades geplatzt.
„Verflixter Dreck!“ schimpfte er. „Daß ausgerechnet immer mir so etwas passiert!“
„Sei doch froh, daß du so weit gekommen bist“, tröstete Egon. „Bei deinem Gewicht hättest du doch schon viel eher damit rechnen müssen.“
Karl machte sich nicht die Mühe, dem Lästermaul zu antworten. Er öffnete seine Reparaturtasche und sah nach, ob Flickzeug darin war.
„Wenn du nicht genug Gummilösung hast“, sagte Guddel hilfreich, „kannst du von mir was haben. Ich habe eine ganz frische Tube mitgenommen.“
Karl nickte.
Bevor er aber ans Flicken ging, sah er sich um.
„Jungs“, sagte er, „wenn ich das Knurren unterhalb meines Gürtels richtig deute, habe ich einen riesigen Kohldampf. Ein schneller Blick auf unsere Vorräte geschleudert, verrät mir indessen, daß keine mehr da sind. Befrage ich nun meine Uhr, so antwortet sie tückisch: zwei Stunden nach Ladenschluß! Was folgert ihr daraus?“
„Daß du ein Esel bist!“ rief Egon giftig. „Und wir heute nacht vor Hunger nicht in den Schlaf kommen.“
„Irrtum“, konterte Karl. „Daß euer Koch Mittel und Wege finden muß, durch die Hintertür einzukaufen. Da oben am Waldrand können wir bestimmt gut zelten. Seid so brav und nehmt mein Gepäck mit auf euer Rad, sonst ist mein Schlauch nur noch als Kaffeesieb zu benutzen. Ich werde inzwischen Futterage besorgen. Sollte euch die Lust anwandeln, schon das Zelt aufzubauen, so ist das ganz in meinem Sinn.“
„Das eine sage ich dir“, knurrte Egon bissig., „wenn du ohne ein anständiges Brot und das Nötige darauf zurückkommst, werde ich zum Kannibalen und schneide dich in die Pfanne.“ Karl nickte.
„Das sei dir gestattet“, sagte er.
Schnell schnallte er sein Gepäck ab, legte es ins Gras und schob das Rad vorsichtig die wenigen hundert Meter in den Ort hinein. Guddel und Egon nahmen die Sachen, hängten sie an ihren Lenker und gingen langsam den Weg zum Wald hinauf. Rechts von ihnen befand sich ein Kartoffelfeld, auf dem das Kraut sehr hoch stand. Es erstreckte sich bis zum Wald. Lediglich ein schmaler Streifen am Ende war mit Gras bewachsen, der Wirtschaftsweg für die Bauern.
Dort schlugen sie das Zelt auf.
Weit unten konnten sie die Weser sehen, die hier in einer Schleife verlief. Das Dorf lag still. Nur wenige Autos befuhren die Straße. Nach und nach steckten die Weserkähne Lichter auf.
Da kam Karl angeschnauft.
Es war ihm gelungen, in einem kleinen Laden trotz geschlossener Eingangstür alles einzukaufen, was ihnen zur Bekämpfung ihres Hungers fehlte. Strahlend breitete er Tomaten, Gurken, Äpfel, Butter, Wurst und Brot vor dem Zelt aus und machte sich sofort an die Zubereitung des Abendbrotes. Dem mißmutigen Egon schob er die erste Stulle zu, damit er eine bessere Laune bekam.
Bald aßen sie alle drei.
Schweigend verfolgten sie dabei die glühenden Punkte auf der Weser mit den Augen. Egon vertiefte sich beim letzten Dämmerlicht in die Zeitung, in der Karls Tomaten eingewickelt waren.
„Hört euch das an“, sagte er plötzlich in die Stille hinein, „im Schwarzwald wurde ein dänisches Ehepaar im Zelt überfallen und getötet. Ihr Auto und sämtliches Gepäck wurden gestohlen. Von den Tätern fehlt jede Spur.“
Er mußte sich weit über die Zeitung beugen, um bei dem spärlichen Licht noch lesen zu können.
„Wo haben die denn gezeltet?“ fragte Karl. „Sicherlich in einer ganz abgelegenen Gegend, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen.“
Guddel sah sich um.
„Unser Platz hier oben ist auch nicht ohne“, sagte er. „Wenn uns jemand überfällt, können wir uns die Lunge aus dem Hals schreien, ehe die unten im Dorf was hören.“
„Vergiß nicht, daß wir zu dritt sind“, warf Karl ein, „und daß wir Egon bei uns haben, der jeden Angreifer mit Kinn- und Leberhaken in die Weser befördert.“
Aber ganz wohl war ihm nicht bei dieser Bemerkung.
Sie hatten auf einmal keinen rechten Appetit mehr. Schweigend räumten sie die Lebensmittel zusammen und krochen ins Zelt. Egon warf, bevor er den Reißverschluß zuzog. noch einen lauernden Blick in die Runde. Da glaubte er einen Mann zu sehen, der in geringer Entfernung vom Kartoffelfeld aufstand und in den Wald huschte.
Aufgeregt teilte er den Freunden seine Beobachtung mit. Sie hielten den Atem an und lauschten in die Nacht hinaus. Aber
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