Karl der Dicke & Genossen
Bobenhausen.
„Wenn Sie möchten, will ich gern mit Rolf Rechtschreibung üben. Ich kenn’ da so ein paar ganz prima Tricks.“
Frau Bobenhausen sah ihn freudig überrascht an.
„Junge, das wäre ja wunderschön! Was meinst du, Rolf, hättest du wohl Lust, mit Guddel zusammen für die Schule zu arbeiten?“
„Mit dem ja“, antwortete Rolf.
Frau Bobenhausen freute sich.
„Natürlich bekommt Guddel denselben Lohn wie Karl und Egon“, sagte sie.
Als eine Stunde später der Regen aufhörte, lernte Egon, wie man einen Mähdrescher bedient, und Karl sauste mit dem Traktor kreuz und quer über den Hof. Guddel aber durchforstete mit seinem kleinen Schüler das Gestrüpp der deutschen Rechtschreibung.
Frau Bobenhausen hatte den großen Mähdrescher zu einem Weizenfeld gefahren, das in der Nähe des Hofes lag. Nun zeigte sie Egon, wie man vom Rand her die Halme angehen mußte. Egon saß neben ihr und fand, daß es so schwer wohl nicht sein könnte, denn es sah sehr einfach aus. Aber als er es probierte, merkte er, daß man aufpassen mußte wie ein Luchs, damit man die Spur hielt. Die erste Schneise, die er schnitt, war kein Meisterstück, aber die zweite gelang schon besser, und die dritte war fast gut.
Frau Bobenhausen gab ihm, während sie neben ihm saß und seine Bemühungen beobachtete, hin und wieder einen Ratschlag und griff auch mal ins Lenkrad.
Nach einer Stunde durfte er allein fahren.
Sehr konzentriert hockte er auf dem hohen Fahrzeug und legte hunderttausend Halme um.
Frau Bobenhausen fuhr nun mit Karl auf dem roten Traktor zu dem Kartoffelfeld, hinter dem sie gezeltet hatten, koppelte den Roder hinten an und zeigte Karl, wie man Kartoffeln rodet. Auch er stellte sich geschickt an und konnte nach wenigen Furchen die Arbeit allein verrichten.
Um dreizehn Uhr kamen die fleißigen Erntehelfer ins Haus, wo Frau Bobenhausen im Handumdrehen ein halbes Dutzend Koteletts briet und dazu junge Kartoffeln auftischte. Während des Essens erzählte Rolf, was er alles bei Guddel gelernt hätte und daß es für ihn überhaupt keine Schwierigkeit mehr gäbe, zwischen einem daß mit „ß“ und einem das mit „s“ zu unterscheiden.
Die Bäuerin fuhr ihm übers Haar und freute sich.
Am Nachmittag besserten Rolf und Guddel den Lattenverschlag des Hühnerstalls aus und gingen dann zum Angeln an die Weser.
Karl und Egon aber bestiegen ihre Fahrzeuge mit einem Gesicht, als wären sie auf den kanadischen Weizenfeldern groß geworden.
Frau Bobenhausen ging nicht mehr mit aufs Feld, sie brauchte ein paar Stunden für die Hausarbeit. Und so ganz nebenbei backte sie einen leckeren Aprikosenkuchen, den sie nach Feierabend ihren Gästen anbot.
Auf Couches und Liegen, die im Wohnzimmer schon vorbereitet waren, wollten die Jungen aber nicht schlafen, sie fanden es in der Scheune, die so aromatisch nach Heu duftete, zünftiger. Darum nahmen sie ihre Decken, kletterten die Leiter, die auf den Heuboden führte, hinauf und kuschelten sich da behaglich ins weiche Heu.
„Uff“, grunzte Karl, „heute weiß ich aber, was ich getan habe! Man denkt immer, Traktorfahren ist nichts als Vergnügen, aber das ist ein falscher Irrtum. Es ist ganz schöne Knochenarbeit. Meine Hände sind voller Schwielen.“
„Was denkst du denn, wie es meinen Händen geht“, sagte Egon. „Die Handflächen sind das reinste Leder. Da ist keine Stelle, die nicht drückt. Aber hier ist es mollig, hier kann man seine müden Gebeine nach allen Richtungen ausstrecken, ohne fürchten zu müssen, aus dem Bett zu fallen.“ Nach diesen Worten gähnte er wie ein satter Löwe. Guddel sagte leise: „Wenn ihr meint, ich hätte mein Geld heute nicht verdient, dann täuscht ihr euch. Privatunterricht zu geben erinnert nämlich in fataler Weise an Schule.“
„Na ja“, sagte Karl, „aber deine Muskeln hast du wenigstens geschont, wohingegen wir harte Mannesarbeit leisten mußten. Hoffentlich kannst du überhaupt in den Schlaf kommen, so ausgeruht wie du bist.“
„Wenn nicht“, sagte Guddel, „tauschen wir morgen, dann fahre ich Traktor, und du unterrichtest Rechtschreibung.“
„Das wird leider nicht gehen“, sagte Karl schnell. „Du weißt, daß meine Rechtschreibung sehr eigenwillig ist und die hiesigen Lehrer möglicherweise ein bißchen verwirrt.“
„Nicht nur die hiesigen“, brummte Egon aus seiner Heuhöhle heraus. „Auch die unsrigen sind jedesmal erschüttert, wenn sie eins deiner Diktate gelesen haben. Dir ist doch bekannt, warum
Weitere Kostenlose Bücher