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Karl der Große: Der mächtigste Kaiser des Mittelalters - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Karl der Große: Der mächtigste Kaiser des Mittelalters - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Karl der Große: Der mächtigste Kaiser des Mittelalters - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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auf, studieren und kopieren sie. Fast jedes Kloster im Frankenreich verfügt im frühen 9 . Jahrhundert neben einer Bibliothek auch über eine Schreibstube (Skriptorium), die oft einen Ehrenplatz direkt neben der Klosterkirche innehat. Gelehrte Mönche verfassen selbst theologische Abhandlungen, Annalen, Traktate über Naturkunde und auch Gedichte. Darüber hinaus machen sich viele Klöster als Zentren der Handwerkskunst einen Namen. Während etwa das Töpfern oder einfache Tischlerarbeiten auf vielen Höfen zu den bäuerlichen Nebentätigkeiten gehören, fördern klösterliche Siedlungen die Spezialisierung. Die mehr als 2000 Bauten um das reiche Kloster von Saint-Riquier in Nordfrankreich etwa haben die Äbte, je nach der Profession ihrer Bewohner, in eine Art Quartiere eingeteilt: für Schmiede, für Schuhmacher, für Sattler, Küfer oder Tuchwalker. Diese »vici« sind bereits eine Vorstufe der Handwerkerviertel, wie sie gut 200 Jahre darauf für die Städte des Hochmittelalters typisch werden.
    Auch als Ärzte, Altenpfleger und Apotheker betätigen sich Mönche. In einem Reich ohne offizielle Ausbildung für Mediziner bieten ihre Rezepturen vielen Menschen einen Hoffnungsschimmer: In Wein gelöste Fenchelwurzel etwa soll gegen Keuchhusten helfen, Fenchelsamen wiederum, so heißt es, lockere »die Blähung des Magens und fördere lösend alsbald den zaudernden Gang der Verdauung«. Eberraute empfehlen manche als Arznei gegen Gicht, Sellerie gegen Blasenleiden, Wermut gegen Kopfschmerz. Darüber hinaus gilt der Aderlass als Allheilmittel. In einigen Klöstern nimmt man bereits chirurgische Eingriffe vor und fertigt sogar Prothesen. Als einem fränkischen Krieger in der Schlacht die rechte Hand abgehackt wird, erhält er, so die Überlieferung, eine Greifhand aus Eisen, die fast genauso beweglich und kräftig sein soll. Und auch seelischem Leid versuchen manche Mönche bereits vorzubeugen: Für den Monat Juli raten sie etwa vom Geschlechtsverkehr ab, da der im Hochsommer schwermütig mache.
    Zeugung und Geburt sind im Frankenreich generell strengen Regelungen unterworfen: Die Kirche verbietet jegliche Verhütungsmethoden. Manche Bauern benutzen vor dem Beischlaf dennoch dubiose Salben, die Spermien abtöten sollen, oder ihre Frauen binden sich zur Verhinderung der Empfängnis in Eselsleder eingewickelte Hoden eines Nagetiers um den Leib. Häufig kommt es zu ungewollten Schwangerschaften. Verzweifelte Frauen suchen Magierinnen auf, die den Fötus mit einem Gemisch aus Pfeffer, Ingwer, Safran und Aloe abzutreiben versuchen. In ihrer Angst vor dem Zorn Gottes ersticken oder ertränken Mütter ihre Babys. Andere setzen sie vor dem Eingang einer Kirche aus.
    Sex gestatten Priester, Diakone und Bischöfe ausschließlich in der Ehe. Selbstbefriedigung ist verboten. Sonntags, mittwochs und freitags sowie 40 Tage vor und nach Ostern ist auch das »Erkennen« des Ehepartners untersagt, schreibt der Klerus vor. Darüber hinaus 40 Tage vor Weihnachten, 8 Tage nach Pfingsten, am Vorabend hoher Kirchenfeste, während der Menstruation und bis zu 40 Tage nach der Geburt einer Tochter. Kein Sex also, fast das ganze Jahr über.
    Das reale Geschlechtsleben im Reich gestaltet sich dann wohl doch ausschweifender und vielfältiger. »Wenn ein Kleriker mit einem vierfüßigen Tier Unzucht treibt, so soll er zwei Jahre büßen, ein Bischof zehn Jahre«, heißt es in der Schrift eines Benediktinermönchs. Und: »Wer mit seiner Mutter Unzucht treibt, soll 15 Jahre büßen.« Vergewaltiger müssen in manchen Gebieten des Reichs eine Geldstrafe von 40 Schillingen bezahlen; ist das Opfer verheiratet, steigt die Strafe auf 80 Schillinge. Oralverkehr und homosexuelle Praktiken werden ebenfalls streng bestraft.
    Als moralische Vorbilder präsentiert die Kirche Männer wie den Vater des heiligen Gerald von Aurillac, von dem erzählt wird, Engel hätten ihn dazu auffordern müssen, seine Frau zu »erkennen«, da sie nach göttlicher Vorsehung einen Sohn bekommen sollte. Karl der Große indessen zeugt mit wenigstens acht Frauen mindestens 1 8 Kinder. Viele Mönche, Bischöfe, Äbte und Nonnen halten sich ebenfalls nicht an das Keuschheitsgebot der Kirche. Prostituierte bieten ihre Dienste in Wallfahrtsorten ebenso an wie auf Königspfalzen. So manches Kloster ist weniger ein Ort der Stille und Besinnung als der Ausschweifung und Völlerei. Manche Geistliche gehen, anstatt zu beten, lieber auf die Jagd, dichten Liebeslieder und verprassen den

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