Karl der Große: Der mächtigste Kaiser des Mittelalters - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
ein im Sachsenland. Die Kirche mühte sich, die befriedete Bevölkerung für das christliche Reich zu gewinnen. Der Glaube sollte als Bindemittel Bekehrer und Bekehrte dauerhaft vereinen. Vor allem entlang der Weser ließ Karl Kirchen errichten. Ein führender Kopf der Sachsenmission war Willehad. Der Missionar aus Northumbrien im Nordosten Englands war seit 770 im heidnisch geprägten Friesland aktiv gewesen; 787 ernannte Karl ihn in Worms zum ersten Bischof von Bremen. Willehad weihte 789 den noch bescheidenen Bremer Dom, einen Holzbau auf einer Düne. Der Kirchenführer schonte sich nicht. Wenig später verstarb Willehad mit Ende vierzig bei kaltem Novemberwetter auf einer Reise in der Gegend des heutigen Nordenham. Am liebsten hätte es Karl gesehen, dass dem Stamm Widukinds die frohe Botschaft durch Landeskinder gepredigt würde. Damit aber kam es nur sehr langsam voran. Immerhin konnte er noch 806 / 807 den Sachsen Hathumar (»Der im Kampf Berühmte«) zum ersten Bischof von Paderborn ernennen; auch dort war bald ein Dom fertiggestellt.
Karl der Große schlägt die Sachsen.
Buchmalerei aus dem 14 . Jahrhundert
British Library/AKG
Die Missionierung hingegen währte erheblich länger. Erst unter Karls Sohn Ludwig konnten die Bistümer Hildesheim und Hamburg gegründet werden. Als Ludwig 826 den Dänenkönig Harald samt großem Gefolge in Ingelheim taufen ließ, befreite ihn das von mancher Sorge um die Sicherheit des Reiches. Denn die Dänen hatten sächsischen Aufrührern lange Unterschlupf gewährt. Auch durch Widukinds Taufe war, entgegen ersten Hoffnungen, der sächsische Widerstandsgeist nicht ausgelöscht worden. So brach 792 in Nordalbingien, im heutigen Holstein, und am Unterlauf von Elbe und Weser ein neuer Aufstand aus – getragen vermutlich von jenen jungen Leuten, die noch von streng heidnischen Müttern geboren worden waren und nun ins waffenfähige Alter kamen.
Empörung über die beharrliche Forderung der Priester nach dem kirchlichen Zehnten, also einer Abgabe von zehn Prozent des Erwirtschafteten, war nur einer der Gründe für den Aufstand. Auch die beginnende Korruption im neocäsarischen Karolingerreich dürfte die Sachsen aufgebracht haben. Staatsbeamte durch Gaben gnädig zu stimmen, wie es im Frankenreich üblich wurde, widerstrebte ihnen.
Die Lage ihrer Region kam den neuen Aufrührern zur Hilfe: In den schwer zugänglichen Elbsümpfen versuchten sie als freie Bauern ihre Unabhängigkeit zu bewahren. Sie wollten ihre Welt konservieren, in der heidnische Opferaltäre unter Eichen rauchten. Im südlichen Sachsen dagegen standen abhängige Bauern Grundherren gegenüber. Eine Chance zum Sieg über die gut organisierten Franken hatten die Sachsen diesmal allerdings noch weniger als je zuvor. Kühles Kalkül kann es kaum gewesen sein, das sie motivierte. Eher waren es ihre traditionellen Begriffe von Ehre und Freiheit, die sie noch einmal in den Kampf gegen das Imperium Karls ziehen ließen, vermutlich auch der Mut der Verzweiflung.
Der König reagierte wie früher mit Härte. Seine Soldaten verschleppten Tausende von Sachsen, auch Frauen und Kinder, weit ins fränkische Reich, so der Historiker Siegfried Epperlein. Dort ließ der Herrscher sie verstreut ansiedeln. Das entvölkerte Land übergab Karl an Vasallen. Grafen und fränkische Siedler nahmen Haus und Hof der Vertriebenen in Besitz. Im Osten Holsteins siedelte der König Slawen vom Stamm der Abodriten an. Die hatten ihn im Kampf gegen die Aufständischen unterstützt.
Um seinen Sieg zu festigen, zeigte sich Karl erneut von seiner milden Seite. Im Oktober 797 lud er auch sächsische Adlige in seine Pfalz zu Aachen. Dort verkündete er Änderungen der Gesetze von 782 , die bei Vergehen gegen die christliche Religion die Todesstrafe vorgesehen hatten. Statt des Henkerbeils drohten bei Verstößen künftig nur noch Geldbußen. 802 wandte der Kaiser sich auf einem Reichstag in Aachen mit einer weiteren versöhnlichen Geste an die Sachsen. Er erkannte ihr altes Recht an, ließ es schriftlich fassen und stellte sie auf diese Weise juristisch mit den Franken gleich. Dass dies kein Zeichen von Schwäche war, zeigte Karl 804 mit seinem letzten Feldzug gegen sächsische Rebellen. Von Lippspringe aus marschierte er nordwärts nach Hollenstedt südwestlich von Hamburg. Dort brachen seine Truppen den Widerstand endgültig. Zäh, beharrlich und mit eiserner Wucht war Karl Herr über die Sachsen geworden.
Unerbittlich hatte er den langen Kampf
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