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Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Titel: Karlas Umweg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Marie gebeten, dich mitzunehmen auf ihre Konzertreise.«
    Ach so, dachte ich. Er fängt keinen Satz an, in dem nicht das Wort »Marie« vorkommt.
    »Wirst du diesmal auf sie aufpassen?«, fragte Willem, und seine Augen waren so groß und traurig wie die von Olga, die mit tropfenden Lefzen neben uns stand und trübe gestimmt war, weil niemand ihr ein Stückchen warf.
    »Ist klar, mach ich«, sagte ich und Willem tätschelte mir den Kopf. Dann stand er auf und warf Olga einen Knüppel über dreißig Meter weit.
    Marie ist entsetzt. Frau Pfefferkorn kam gestern unangemeldet vorbei und fragte sehr scheinheilig und um Beherrschung ringend nach Maries Salzburg-Plänen. Marie erzählte natürlich kaum etwas darüber, weil sie es nicht ausstehen kann, wenn ihre Mutter sich immer einmischt.
    »Was singst du denn eigentlich in Salzburg, Kind?«, begann sie ihr geschicktes Abfragemanöver.
    »Carmen wahrscheinlich«, sagte Marie.
    »Was ziehst du denn an?«, fragte die Mutter.
    »Das Grüne wahrscheinlich«, sagte Marie.
    »Und wer singt noch?«
    »Siegmund Sterz wahrscheinlich.«
    Die Mutter schluckte. An den Namen wollte sie nicht erinnert werden. »Wie hoch ist denn die Gage?«, fragte sie weiter.
    »Mutter, das geht dich nichts an«, brauste Marie auf.
    »Du könntest dich auch mal bei mir revanchieren«, begehrte Frau Pfefferkorn auf. »Du schwimmst hier in Millionen und hast noch nie darüber nachgedacht, wie ich meine Miete bezahle.«
    »Du kassierst pro Gesangsstunde fünfzig Mark auf die Hand«, lachte Marie höhnisch. »Sei froh, dass das Finanzamt sich nicht dafür interessiert!«
    »Und wer dirigiert das Ganze?«, kam die Mutter wieder zum eigentlichen Thema zurück.
    »Kennst du nicht«, sagte Marie.
    »KENN ich nicht?!?!«, zürnte Frau Pfefferkorn und holte tief Luft.
    »Mutter, es ist doch nicht so wichtig! Warum interessierst du dich ausgerechnet für den Auftritt in Salzburg? Sonst sind dir doch meine Konzerte auch egal!«
    »Dieses ist mir nicht egal!«, erwiderte die Mutter streng. »Du wirst nicht die Carmen singen.«
    »WAS?« Marie blieb der Mund offen stehen. »Mutter, ich wüsste nicht, was du mir noch vorzuschreiben hättest!«
    Ich stand die ganze Zeit mit meinem Staubwedel am Wohnzimmerschrank.
    »Karla hat gesagt, es dirigiert der Chef der Pariser Oper … wie heißt er gleich …«
    »Paterne«, sagte Marie. »Eugen Paterne.«
    Frau Pfefferkorn schluckte. Marie hatte den Namen ihres Vaters zum ersten Mal ausgesprochen.
    »Unerträglich«, sagte sie und suchte nach einem Sessel.
    »Und was ist daran so unerträglich?«, schnaubte Marie. »Herr von Karajan war eben schon ausgebucht!«
    »Kind«, sagte Frau Pfefferkorn und griff sich ans Herz, »ich werde mitkommen nach Salzburg, wann genau ist der Termin?«
    Nun verlor auch Marie die Beherrschung. »Das kommt überhaupt nicht in Frage!«, heulte sie los. »Karla! Was stehst du da herum! Hilf mir doch! Sag Mutter, dass sie auf keinen Fall mitkommen soll!«
    »Sie sollen auf keinen Fall mitkommen, Frau Pfefferkorn«, sagte ich freundlich zu Frau Pfefferkorn, die im Sessel zusammengesunken war.
    »Karla, sagen Sie meiner Tochter, dass ich auf jeden Fall mitkommen werde!«, zeterte sie.
    »Marie, deine Mutter sagt …«
    »Ich HÖRE, was meine Mutter sagt! Ich SCHEISS drauf, was meine Mutter sagt! Sag meiner Mutter, sie soll mein HAUS verlassen, und zwar SOFORT!«, brüllte Marie und rannte aus dem Zimmer. Draußen schrie sie noch: »Wenn sie in Salzburg auftauchen sollte, singe ich keinen Ton! Bestell das meiner Mutter!« Ich stand starr und tief betroffen mit meinem Staubwedel neben dem Sessel.
    Frau Pfefferkorn wischte sich mit einem Damasttüchlein die Augen und die Nase. »Rufen Sie mir ein Taxi, Karla.«
    »Natürlich. Sofort.« Als ich Frau Pfefferkorn unter hysterischem Gebell von Olga in den Wagen schob, gab ich ihr die Schachtel mit dem Beruhigungsmittel, das Marie neuerdings nimmt. »Die werden Ihnen helfen!« Dann schrie ich überflüssigerweise in den Lärm hinein: »Kommen Sie nicht nach Salzburg, Frau Pfefferkorn!«
    Sie schrillte zurück: »Halten Sie sich da raus! Was gehen Sie unsere Familienangelegenheiten an!« Und dann zum Taxifahrer: »Auf was warten Sie denn noch!«
    »Dass Sie mir sagen, wohin ich fahren soll.« Die Mutter schrie ihm ihre Adresse um die Ohren, und ich trollte mich an der vor Zorn sich fast selbst zerfleischenden Olga vorbei ins Haus, um weiter Staub zu wedeln. Frau Pfefferkorn hatte Recht. Was gehen mich ihre

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