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Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Titel: Karlas Umweg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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ich an Marie bewundere, dann ist es ihre Flexibilität.

Heute war die Aufzeichnung für die Fernsehshow. Weil Marie sich der geballten Männlichkeit von Clemens Matulka und Harald Gernhaber nicht gewachsen fühlte, durfte ich mit. Fernsehluft schnuppern! Es war aufregend. Wir fuhren zu viert im Taxi zur Sendeanstalt. Marie saß natürlich vorne und ich quetschte mich zwischen ihre beiden Anbeter. Es war wirklich ziemlich eng, besonders, weil Gernhaber sich weigerte, seine Stradivari in den Kofferraum zu legen. Er hielt sie auf dem Schoß wie ein Kleinkind und schnallte sich sogar mit ihr zusammen an. Clemens Matulka erzählte die ganze Zeit aufgekratzt Schülerwitze, so nach dem Motto: »Viele Eltern gehen in den Zoo, wenn ihre Kinder Geburtstag haben, und bewerfen den Storch mit Steinen«, und Marie trällerte auf dem Beifahrersitz Tonleitern. Schließlich waren wir da. Wir wurden von einer Assistentin empfangen, die Marie und mich in die Damengarderobe führte und die Herren Matulka und Gernhaber in eine benachbarte Herrengarderobe. Dort mussten die Akteure nachtblaue Gewänder anlegen, die alle Jahre wieder zu beschaulichen klassischen Musikbeiträgen aus dem Garderobenfundus geholt werden. Auch für mich wurde augenblicklich ein solches nachtblaues Stoffrequisit bereitgelegt. Ich lamentierte laut, ich sei nur als Mitgebrachte hier, aber der Regisseur fand das prima, zwei Damen und zwei Herren, ich könne im Hintergrund auf einer Wolke schweben und so tun, als ob ich sänge. Marie hatte nichts dagegen. Ich erklärte mich also nach einigem unnötigen Geziere damit einverstanden, auch aufzutreten, und schritt unternehmungslustig mit Marie in die Maske. Hier waren einige Damen versammelt. Eine streichelte ihren Pudel, die Zweite kämmte Harald Gernhabers graulockige Haarpracht, die Dritte strickte an einem Mohairschlauch und die Vierte räumte gerade ihre Handtasche auf.
    »Welche von Ihnen singt wirklich?«
    »Ich«, sagte Marie.
    Sie wurde daraufhin von der Maskenbildnerin, die ursprünglich ihren Pudel gestreichelt hatte, bevorzugt behandelt. Ich musste mich gedulden, bis die Dame, die strickte, ihre verlorenen Maschen wieder aufgenommen hatte.
    »Setzen Sie sich schon mal«, gestattete sie mir jedoch und wies mit ihrer Stricknadel auf einen Friseurschemel, der vor einer großen Spiegelwand stand. Auf der Konsole davor lagen nicht nur Kamm und Bürste, Lockenwickler und Haarspray, sondern auch Puder, Rouge und sonstige geheimnisvoll aussehende Döschen, ansonsten ähnlich wie beim Zahnarzt Tupfer, Spiegel, Pinzetten und andere Martergeräte, mit denen sie einem womöglich die Augenbrauen rausreißen oder Pickel ausquetschen.
    »Ich bin nur ein Statist«, sagte ich deshalb schnell.
    »Dann werde ich mal an Ihnen nicht groß rummachen«, sagte die Strickerin. »Sind ja gar nicht groß im Bild.« Ich lehnte mich entspannt zurück. Schräg hinter mir stylten sie Marie, und sie hielt regen Blickkontakt zu Harald Gernhaber, dessen Hände soeben in Palmolive gebadet wurden, da diese wahrscheinlich groß im Bild sein würden. Nun erschien auch noch Clemens Matulka, der stets zum Scherzen aufgelegte Tenor, und wurde von der letzten Maskenbildnerin sofort hinter einen Vorhang gezerrt. An ihm musste begreiflicherweise eine Sonderbehandlung durchgeführt werden, und er war deshalb mit solcher Verspätung in der Maske erschienen, weil man ihm zwölf Zentimeter Specksohle unter die Schuhe geklebt hatte. Marie fragte nervös, wo sie sich bis zum Beginn der Aufzeichnung denn noch einsingen könnte, sie fühle sich heute etwas indisponiert. Verständlich, nach der technischen Probe im Gemeindehaus.
    Die vier Maskenbildnerinnen kannten sich aber offensichtlich in dieser Sendeanstalt nicht aus, sie konnten Marie jedenfalls nicht weiterhelfen. So trällerte sie während des Schminkens nervös vor sich hin. Ich wusste, das ist jetzt nicht der Zeitpunkt, sie anzusprechen. Der Regieassistent, oder was immer er für einen wichtigen Posten bekleidete, steckte sein unrasiertes Gesicht zur Tür rein und fragte, ob der Geiger schon fertig sei. Harald Gernhaber badete jedoch immer noch in Palmolive und auch seine widerspenstigen graumelierten Locken hatten noch nicht in Ordnung gebracht werden können. Deshalb schickte man als Erstes mich mit dem Regieassistenten weg.
    »Was singen Sie?«, fragte er mich auf dem Gang. Ich stöckelte unbeholfen neben ihm her.
    »Nichts«, sagte ich. »Ich kann gar nicht singen.«
    »Das sind wir hier nicht

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